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Convention on Contracts for the International Sale of Goods — CISG 25 Years: 1980 — 2005 |
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AGB in UN-KaufverträgenProf. Dr. Burghard Piltz Rechtsanwalt in der Sozietät Brandi Dröge Pilz Heuer & Gronemeyer, Gütersloh; Curriculum Vitae. Germany Originally published in: Internationales Handelsrecht (IHR) 2004, 133 –138 1. Einleitung In Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vorformulierte Regelungen sollen nach der Absicht des Verwenders Inhalt künftiger, jeweils noch abzuschließender Verträge werden. Da jedoch keine Partei die Befugnis hat, den anderen Vertragspartner einseitig vorformulierten Regelungen zu unterwerfen, sind AGB-Klauseln für die Parteien eines privatrechtlichen Vertrages in der Regel nur verbindlich, wenn sie auch zum Inhalt des jeweiligen Vertrages geworden sind. Die wirksam in einen Vertrag einbezogenen und durch Auslegung in ihrer Aussage präzisierten AGB-Klauseln werden zudem vielfach einer besonderen Inhaltskontrolle unterworfen (1). Die nachstehenden Ausführungen konzentrieren sich auf AGB in UN-Kaufverträgen. UN-Kaufverträge sind Verträge, die den Regeln des UN-Kaufrechts (CISG) unterliegen (2). 2. Einbeziehung von AGB Die Einbeziehung von AGB in einen privatrechtlichen Vertrag wirft Rechtsfragen zum Vertragsabschluss auf. Da das UN-Kaufrecht ausdrücklich den "Abschluss des Kaufvertrages" zum Gegenstand hat, Art. 4 CISG, beurteilt sich folglich auch die Einbeziehung von AGB in einen UN-Kaufvertrag grundsätzlich nach den Bestimmungen des UN-Kaufrechts. Nationales Recht — wie etwa § 305 Abs. 2 BGB bzw. die von der Rechtssprechung in Deutschland entwickelten Regeln zur Einbeziehung von AGB in Verträge zwischen Unternehmern — werden insoweit verdrängt. In der Literatur wird diese Position fast ausnahmslos vertreten (3). Auch die Rechtssprechung hat sich wiederholt in diesem Sinne geäußert (4). Allerdings liegen auch Entscheidungen vor, die trotz grundsätzlicher Geltung des UN-Kaufrechts die Einbeziehung von AGB nach nationalem, unvereinheitlichtem Recht prüfen (5). Da diese Gerichte ihre Vorgehensweise aber nicht begründen, kann eigentlich nicht von einer abweichenden Meinung gesprochen werden; vielmehr ist eher zu vermuten, dass die Einschlägigkeit des UN-Kaufrechts nicht erkannt wurde. Das äußere Zustandekommen des UN-Kaufvertrages beurteilt sich nach Art. 14 ff. CISG (6). Da das UN-Kaufrecht — anders als das BGB und andere nationale Rechtsordnungen — keine besonderen Bestimmungen aufweist, die gerade die Vereinbarung von AGB zum Gegenstand haben, gelten die Art. 14 ff. CISG grundsätzlich auch für die Einbeziehung von AGB in einen UN-Kaufvertrag (7). Im Interesse der nach Art. 7 CISG vorgeschriebenen einheitlichen Anwendung des UN-Kaufrechts und der Erarbeitung allgemeingültiger Regeln erscheint es richtiger, die Lösung der AGB-Einbeziehungsproblematik unmittelbar aus Art. 14 ff. CISG zu entwickeln und nicht primär in Art. 8 CISG zu suchen (8), zumal andernfalls individuelle und national-rechtlich geprägte Sichtweisen zu sehr in den Vordergrund geraten könnten. Die Art. 14 ff. CISG enthalten keine Bestimmungen, nach denen etwa — wie im deutsch-rechtlichen unternehmerischen Geschäftsverkehr — der bloße Hinweis auf bestehende AGB ohne deren Übergabe (9) oder sonst wie vereinfachte Vertragsabschlusstechniken zu ihrer verbindlichen Einbeziehung genügen oder etwa auch fremdsprachige AGB beachtlich sind. Andrerseits sind die Vertragsabschlussregeln der Art. 14 ff. CISG nicht unabänderlich zwingend. Vielmehr gehen nach Art. 6 CISG anderweitige Absprachen der Parteien und nach Art. 9 CISG beachtliche Gebräuche oder zwischen den Parteien praktizierte Gepflogenheiten den normativen Vorgaben der Art. 14 ff. CISG vor und können folglich zu anderen Ergebnissen führen (10). So können die Parteien durch anderweitige Vereinbarungen — etwa in einem Vertriebshändlervertrag oder in sonstigen Rahmenabsprachen — klarstellen, dass AGB unabhängig von der Sprache, in der sie abgefasst sind, und/oder unabhängig davon Vertragsinhalt werden, ob sie überhaupt oder jedes Mal von neuem vorgelegt werden. Auch wird es beispielsweise im Rahmen einer von beiden Seiten kontinuierlich praktizierten Geschäftsbeziehung nicht erforderlich sein, den vollständigen Text der AGB immer wieder von neuem der anderen Vertragspartei zur Kenntnis zu bringen, wenn die Geschäfte einverständlich auf der Basis der AGB abgewickelt werden. Im Streitfall muss der Verwender allerdings nachweisen, dass derartige besondere Absprachen getroffen wurden bzw. besondere Gebräuche oder Gepflogenheiten zur Einbeziehung der AGB bestehen. Soweit besondere Absprachen oder Umstände zur Vereinbarung von AGB nicht ausgemacht werden können, beurteilt sich die Einbeziehung von AGB in den jeweiligen Kaufvertrag jedoch grundsätzlich nach Art. 14 ff. CISG mit der Konsequenz, dass die AGB-Klauseln ebenso wie die sonstigen Vertragsinhalte in das letztlich zum Vertragsschluss führende Vertragsangebot und damit in die vertraglichen Absprachen der Parteien aufgenommen werden müssen. Der bloße Hinweis auf die Geltung von AGB ohne jede Übermittlung des AGB-Textes an die andere Vertragspartei genügt regelmäßig nicht. Vielmehr folgt aus dem Vertragsabschlussmechanismus der Art. 14 ff. CISG für die wirksame Einbeziehung von AGB, dass – die AGB-Klauseln ebenso wie sonstige Vertragsinhalte dem anderen Vertragspartner bis zum Zeitpunkt der Erklärung der Vertragsannahme vorliegen müssen, – der AGB-Verwender dem anderen Vertragspartner bis zum Zeitpunkt der Erklärung der Vertragsannahme deutlich machen muss, dass die AGB Teil seines Vertragsangebots sind, – und die Vertragsannahme durch den anderen Vertragspartner in zu vermutender Kenntnis des Geltungshinweises auf die vorliegenden AGB erklärt wird. Vertragsabschlussgestaltungen, die — namentlich über Telefon, Telefax oder E-Mail vorgenommen — sich auf die Wiedergabe der individuell ausgehandelten Vertragsinhalte beschränken, ohne zugleich die AGB-Klauseln körperlich zu übermitteln, lassen die AGB daher in aller Regel auch dann nicht Vertragsinhalt werden, wenn auf ihre Geltung hingewiesen wird (11). Während nach unvereinheitlichtem deutschen Recht für den Geschäftsverkehr unter Kaufleuten der bloße Hinweis auf die AGB genügt und es der anderen Partei obliegt, sich über ihren Inhalt zu informieren (Erkundigungsobliegenheit der anderen Vertragspartei) (12), gilt für das UN-Kaufrecht vorbehaltlich anderer Absprachen, Gepflogenheiten oder Bräuche vielmehr eine Kenntnisverschaffungspflicht des Verwenders (13). Dem UN-Kaufrecht lässt sich keine Regel entnehmen, dass die andere Vertragspartei sich selbst die Kenntnis von dem in den AGB formulierten Vertragsinhalt zu verschaffen hat (14) und ein Versäumen dieser Obliegenheit zur Geltung der von dem Verwender einseitig vorgegebenen Bedingungen führt. Angesichts der heutigen Telekommunikationstechniken, die es erlauben, selbst umfangreiche Texte ohne Zeitverlust praktisch weltweit zu versenden, können auch die Bedürfnisse einer schnellen und reibungslosen Geschäftsabwicklung nicht angeführt werden, um abweichend von den Grundwertungen des UN-Kaufrechts die andere Vertragspartei mit einer Erkundigungsobliegenheit zu Teilen des Vertragsinhalts zu belasten (15). Der Kenntnisverschaffungspflicht des Verwenders wird daher nicht genügt, wenn die AGB lediglich bei einer Kammer (16) oder einem Gericht (17), im Internet (18) oder sonst wo hinterlegt sind und dort eingesehen werden könnten oder auf Abruf bereitgestellt werden. Vielmehr ist der Verwender gehalten, die AGB der anderen Vertragspartei unaufgefordert zukommen zu lassen. Andererseits ist nicht erforderlich, dass das AGB-Formular zusammen mit dem übrigen Vertragsangebot zugeht, körperlich fest mit dem eigentlichen Vertragstext verbunden ist oder gar von den Parteien abgezeichnet wird. Vielmehr genügt der eindeutig erkennbare Hinweis des Verwenders (19), dass die AGB in ihrer Gesamtheit Teil des Vertragsinhalts sein sollen, wenn zudem der Wortlaut der AGB der anderen Vertragspartei unaufgefordert vorgelegt wird (20). Allerdings wird nicht in jedem Fall verlangt werden müssen, dass der AGB-Text immer in vollem Umfang übermittelt wird. Vielmehr sind Gestaltungen vorstellbar, in denen sich der Verwender auf die Vorlage der rechtlich erheblichen Eckpunkte seiner AGB beschränken kann, wenn er zugleich deutlich macht, dass die übermittelten AGB nicht vollständig sind, die nicht übermittelten Teile keine Risiko- oder Kostenverschiebungen von Gewicht zulasten der anderen Vertragspartei zum Gegenstand haben und die vollständigen AGB zudem ohne weiteres abrufbar sind. In dem Umfang eines redlicherweise zu vermutenden Einverständnisses der anderen Vertragspartei können dann auch nicht übermittelte Klauseln Vertragsinhalt werden. Derartige Gestaltungen sind etwa vorstellbar, wenn die branchenübliche Art des Vertragsabschlusses eine Übergabe des vollständigen AGB-Textes kaum gestattet (zum Beispiel sofortige Auftragsaufnahmen unter Anwesenden auf Orderblöcken), andererseits die Verwendung von AGB bei Geschäften dieser Art üblich ist. Allerdings ist festzuhalten, dass im Prinzip die AGB-Klauseln ebenso wie sonstige Vertragsinhalte dem anderen Vertragspartner bis zum Zeitpunkt der Erklärung der Vertragsannahme vorliegen müssen, so dass jede Abweichung von dieser Regel durch besondere Umstände gerechtfertigt und zudem der anderen Vertragspartei erkennbar und zumutbar sein muss. Neben der Übermittlung des Textes der AGB muss der Verwender eindeutig erkennbar erklären, dass die AGB Teil des Vertragsinhalts sein sollen (21). Der Hinweis auf die Geltung der AGB muss aus Anlass des beabsichtigten Vertragsabschlusses erfolgen. Irgendwann ohne konkreten Bezug zu dem in Frage stehenden Vertrag formulierte AGB-Hinweise lassen für die andere Vertragspartei nicht genügend eindeutig erkennbar werden (22), dass die AGB auch für das anstehende Geschäft gelten sollen. Sowohl der Hinweis wie auch die eigentliche Übermittlung der AGB müssen zudem bis zum Zeitpunkt der Abgabe der Annahmeerklärung abgeschlossen sein (23). Erst später, namentlich erst mit der Rechnung zugehende AGB-Hinweise und/oder AGB-Klauseln werden vorbehaltlich besonderer Absprachen, Gebräuche oder Gepflogenheiten nicht Vertragsinhalt (24), ohne dass der Empfänger widersprechen oder sonst wie fehlendes Einverständnis deutlich machen muss. Aus der Kenntnisverschaffungspflicht des Verwenders folgt, dass für die sprachliche Abfassung sowohl der eigentlichen AGB wie auch des Hinweises auf ihre Geltung auf die Verständnismöglichkeiten des Empfängers abzustellen ist. Die Praxis verwendet demzufolge zum Teil zweisprachige AGB (25). Sind die AGB in einer Sprache formuliert, die der anderen Partei nicht ohne weiteres zugänglich ist, hat der Verwender seiner Kenntnisverschaffungspflicht regelmäßig nicht genügt (26). Andererseits müssen die AGB nicht stets in der Heimatsprache des Empfängers formuliert sein. Vielmehr ist es auch ausreichend, wenn die AGB in der Verhandlungssprache abgefasst sind (27). Gebraucht der Verwender eine sonstige Sprache, kommt es letztlich darauf an, ob die andere Partei diese Sprache genügend beherrscht. Im internationalen Geschäftsverkehr kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Käufer bzw. Verkäufer auf dieser Welt hinreichend Englisch (28) oder gar Französisch, Spanisch oder Deutsch versteht (29). Im übrigen kann sich natürlich aus anderweitigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Absprachen, aus nach gem. Art. 9 CISG zu berücksichtigenden Gebräuchen oder aus zwischen den Parteien praktizierten Gepflogenheiten ergeben, dass auch die Verwendung anderer Sprachen ausreicht (30). Wenn sowohl der eindeutig erkennbare Hinweis auf die Geltung der AGB wie auch die Übermittlung des AGB-Textes in der gebotenen Sprache und bis spätestens zum Zeitpunkt der Abgabe der Annahmeerklärung erfolgt sind und die Annahme des Vertragsangebots nach Maßgabe des Art. 8 CISG nicht als Ablehnung der AGB verstanden werden kann, sind die AGB wirksam in den Vertrag einbezogen. Bloßes Schweigen genügt nicht (31). Andererseits ist nicht erforderlich, dass die andere Partei die AGB tatsächlich gelesen hat (32) oder gar gezielt ihre Geltung bestätigt (33). Vielmehr ist vorbehaltlich entgegenstehender Umstände zu vermuten, dass die Vertragsannahme in Kenntnis des Geltungshinweises des Verwenders, der auf die der anderen Seite vorliegenden AGB verweist, erfolgt. Um eine solche Vermutung zu rechtfertigen, muss der Geltungshinweis deutlich erkennbar ausgewiesen sein. Wenn der Annehmende jedoch auf eigene AGB verweist, lehnt er damit die AGB des Offerenten ab und es bleibt zunächst noch offen, wessen AGB gelten. Ansonsten bedarf es einer besonderen Zustimmungserklärung zur Geltung der AGB auch nicht, wenn aufgrund eines nach Art. 96 CISG beachtlichen Vorbehalts für die Annahme des Vertragsangebots eine besondere Form zu beachten ist oder die Parteien die Einhaltung bestimmter Formen des Vertragsabschlusses vereinbart haben, vgl. Art. 29 CISG. Vorbehaltlich besonderer Umstände gelten im UN-Kaufrecht wegen der Kenntnisverschaffungspflicht des AGB-Verwenders deutlich strengere Anforderungen für die Einbeziehung von AGB in einen Kaufvertrag als dies im unternehmerischen Geschäftsverkehr nach nationalem deutschen Recht der Fall ist (34). Dieses Ergebnis ist Konsequenz des Umstandes, dass das UN-Kaufrecht keine besonderen Erleichterungen für die Vereinbarung von AGB-Klauseln im Vergleich zu sonstigen vertraglichen Regelungsinhalten vorsieht. Die strengeren Regeln für die Einbeziehung von AGB in einen UN-Kaufvertrag sind jedoch kein Argument gegen das UN-Kaufrecht. Zum einen ist nämlich zu berücksichtigen, dass der nach Art. 6 CISG im Prinzip zwar mögliche Ausschluss des UN-Kaufrechts dann, wenn das UN-Kaufrecht aufgrund von AGB-Klauseln ausgeschlossen werden soll, wiederum nur beachtlich ist, wenn die AGB-Klausel nach Maßgabe der Bestimmungen des UN-Kaufrechts wirksam Vertragsinhalt wird (35). Zum anderen können die für das deutsche Inlandsgeschäft geltenden, dem AGB-Verwender besonders freundlichen Grundsätze zur Einbeziehung von AGB wegen Art. 31 Abs. 2 EGBGB selbst bei vereinbarter Geltung des BGB/HGB nicht uneingeschränkt gegenüber ausländischen Vertragspartnern zum Einsatz gebracht werden (36). Der eigentliche Grund für die schärferen Anforderungen zur Einbeziehung von AGB liegt daher nicht im UN-Kaufrecht, sondern ist vielmehr Folge des internationalen Charakters des Geschäfts. Auf der anderen Seite befreit die strenge Lösung des UN-Kaufrechts weitgehend von der Notwendigkeit, AGB einerseits und sonstige Vertragsabsprachen andererseits genauer abzugrenzen und eröffnet zudem den für die Außenhandelspraxis nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass nach anderen nationalen Rechtsordnungen existierende, teilweise noch schärfere Anforderungen für die Einbeziehung von AGB (37) bei UN-Kaufverträgen keine Anwendung finden. Mit den Art. 14 ff. CISG ist vielmehr auch das Recht der Einbeziehung von AGB vereinheitlicht. Dieser Aspekt ist namentlich für die weltumspannenden Geschäfte des E-Commerce bedeutsam. 3. Abweichende und kollidierende AGB Wenn die Rückäußerung des Empfängers des Vertragsangebots als Annahme gedacht ist, aber Ergänzungen, Einschränkungen oder sonstige Änderungen aufweist, die in dem Vertragsangebot so nicht enthalten sind, kann weder stets von einem Vertragsabschluss noch stets von einer Ablehnung der Offerte ausgegangen werden. Anders als § 150 Abs. 2 BGB differenziert das UN-Kaufrecht vielmehr danach, ob die in der Annahmeerklärung enthaltenen Modifikationen den Inhalt des Angebots wesentlich ändern oder nicht, vgl. Art. 19 CISG. Für die Abgrenzung der wesentlichen von der nicht wesentlichen Abweichung ist hingegen unerheblich, ob die Modifikation individuell formuliert oder als AGB-Klausel vorgebracht wird. Führt der Adressat des Angebots mit seiner Annahmeerklärung erstmals AGB in die Verhandlungen ein, ist daher regelmäßig, wenngleich nicht stets zwingend, von inhaltlich wesentlichen Abweichungen auszugehen, da in AGB typischerweise Aspekte der in Art. 19 Abs. 3 CISG angesprochenen Art geregelt werden (38). Gleiches gilt aber auch, wenn dem Angebot bereits AGB des Offerenten beigefügt waren, der Annehmende jedoch nun seine eigenen AGB an Stelle der Bedingungen des Offerenten durchsetzen will (battle of forms). Die Konsequenzen einer gegenüber dem Vertragsangebot wesentlich abweichenden Annahmeerklärung regelt Art. 19 Abs. 1 CISG. Bei widerstreitenden AGB hat die Anwendung von Art. 19 Abs. 1 CISG grundsätzlich zur Folge, dass die jeweils zuletzt auf ihre AGB verweisende Partei ein Gegenangebot vorlegt und der Vertrag nicht abgeschlossen ist, bis der Empfänger des letzten Gegenangebots diesem rechtzeitig und ohne wesentliche Abweichungen, das heißt insbesondere ohne weiterem Bestehen auf seinen eigenen AGB zustimmt. Im Ergebnis kommen damit die AGB der Partei zum Zug, die zuletzt auf ihrer Geltung bestanden hat (Prinzip des letztes Wortes bzw. last-shot-rule). Die Zustimmung der anderen Partei kann ausdrücklich formuliert werden, ergibt sich in der Praxis ganz überwiegend allerdings aus konkludentem Verhalten. Da nach wechselseitigem Austausch von Vertragsangebot und — wegen der AGB — abweichender Annahmeerklärung die annahmerelevanten Handlungen nicht selten erst deutlich später erfolgen, ist allerdings stets zu beachten, dass die Zustimmung auch rechtzeitig, das heißt vor Ablauf der nach Art. 18 Abs. 2 CISG vorgesehenen Fristen erfolgt; andernfalls kommen die Regeln zur verspäteten Annahme zur Anwendung (39). Eine konkludente Annahme ist in der Regel zudem ausgeschlossen, wenn aufgrund eines Vorbehalts nach Art. 96 CISG oder aufgrund parteilicher Absprachen besondere Förmlichkeiten für die Annahmeerklärung zu beachten sind, vgl. Art. 29 CISG. Die Lösung des Problems widerstreitender AGB (40) wird — namentlich im Ausland — überwiegend in Art. 19 CISG angesetzt (41). Die insbesondere im deutschen bzw. österreichischen Recht zu dieser Konstellation vertretene Konsens-Dissens-Theorie bzw. Restgültigkeitslösung (knock-out-rule) ist durch das UN-Kaufrecht zwar nicht prinzipiell verschlossen (42), bedarf jedoch erheblicher konstruktiver Anstrengungen — zumal sie anlässlich der Erarbeitung des UN-Kaufrechts auf der Konferenz in Wien verworfen wurde (43)-, läuft damit dem Ziel der nach Art. 7 CISG vorgesehenen einheitlichen Anwendung des UN-Kaufrechts in den Vertragsstaaten zuwider und wird folglich international kaum durchsetzbar sein. Allerdings besteht auch keine Notwendigkeit, von vorneherein gänzlich von dem Regelungsmechanismus des Art. 19 CISG abzurücken und statt dessen die Lösung allein in den allgemeinen Prinzipien des UN-Kaufrechts zu suchen (44), zumal die auf diese Weise erreichte Flexibilität zur Erarbeitung von Lösungen mit einer für die Praxis nicht hinnehmbaren Rechtsunsicherheit verbunden ist. Andere unterscheiden zwischen Vertragsabschluss und Vertragsinhalt (45) bzw. kollidierenden und nur von einer Seite eingeführten AGB (46). Die Rechtsprechung (47) hat sich noch nicht festgelegt (48). Unzutreffend ist jedoch die Aussage, dass das UN-Kaufrecht das Problem der widerstreitenden AGB nicht löse und insoweit nationales Recht, im konkreten Fall die niederländische first-shot-rule zur Anwendung komme (49). Allerdings kann die Problematik kollidierender AGB nicht in allen Fällen starr nach Art. 19 CISG abgehandelt werden. Das UN-Kaufrecht und damit auch Art. 19 CISG ist grundsätzlich dispositiv, so dass je nach den Gegebenheiten nach Maßgabe der Art. 6 und 9 CISG andere Kollisionsregeln einschlägig sein können. Zudem sind die Erklärungen der Parteien stets vor dem Hintergrund der Art. 8 und 7 CISG zu werten (50). Eine Anpassung der aus Art. 19 CISG folgenden last-shot-rule ist insbesondere angezeigt, wenn eine konkludente Annahme wegen Zeitablaufs oder wegen zu beachtender Förmlichkeiten nicht in Betracht kommt oder wenn beide Parteien einverständlich den Kaufvertrag durchführen, gleichwohl aber immer noch weiter formularmäßig auf widersprechende AGB verweisen (51). Dagegen ist kein Bedarf für ein Abgehen von der nach Art. 19 Abs. 1 CISG zur Anwendung kommenden last-shot-rule gegeben, wenn eine Seite durch ihr nachfolgendes Verhalten rechtzeitig und in rechtlich zulässiger Weise Zustimmung zu dem AGB-Angebot der anderen Seite signalisiert hat (52). Die bis dahin bestehende AGB-Diskrepanz ist infolge des zustimmenden Verhaltens nun beseitigt. Entscheidend ist das zustimmende Verhalten des Empfängers des "letzten Wortes" (last-shot). Die Bezeichnung dieses Lösungsansatzes als last-shot-rule setzt den Akzent demzufolge unzutreffend und ist eher irreführend; richtigerweise handelt es sich um eine "consent-rule". Diesem Ansatz kann nicht entgegen gehalten werden, dass er den Vorstellungen der Parteien zuwider laufe (53); vielmehr legt die Praxis erkennbar besonderen Wert darauf, das "letzte Wort" zu behalten. Dieses Ziel wird in erster Linie verfolgt, um die eigenen, nicht zuletzt auch einen Kostenfaktor ausmachenden AGB durchzusetzen, aber auch um klare Vertragsverhältnisse zu gewährleisten. Dieser Bewertung steht auch nicht entgegen, dass die auf den letzten AGB-Hinweis der anderen Seite jetzt Zustimmung äußernde Partei ursprünglich eigene AGB zum Einsatz bringen wollte. Möchte die jetzt Zustimmung äußernde Partei nicht primär an ihrem aktuellen Verhalten gemessen werden, muss sie dies auf geeignete Weise zum Ausdruck bringen. Dies gilt um so mehr, wenn sie ihr Verhalten zum Nachteil der anderen Seite, nämlich deren AGB-Geltungswille relativierend und abweichend von der Normwertung der Art. 19 und 18 CISG verstanden wissen möchte. Dem bloßen Umstand, dass sie in einer früheren Verhandlungsphase formularmäßig auf eigene AGB hingewiesen hat, kommt zu wenig Gewicht zu (54), zumal nicht ausgeschlossen ist, dass die jetzt Zustimmung signalisierende Partei in Anbetracht des AGB-Geltungswillens der anderen Partei und wegen eines gleichwohl bestehenden Eigeninteresses am Zustandekommen des Vertrags nicht weiter an ihrem ursprünglichen AGB-Konzept festhält. 4. Auslegung und Inhaltskontrolle Manche Rechtsordnungen sehen vor, dass die wirksam in einen Vertrag einbezogenen AGB-Klauseln zusätzlich einer inhaltlichen Kontrolle unterworfen werden (55), um auf diese Weise Gewichtsverschiebungen aufzufangen, die daraus resultieren, dass häufig der marktstärkere Teil seine Bedingungen "diktiert". Vor Beurteilung ihrer inhaltlichen Gültigkeit sind die AGB Klauseln jedoch zunächst auszulegen. Die Auslegung ist noch keine Inhaltskontrolle, sondern zielt darauf ab, den Gehalt der jeweiligen Klausel zu präzisieren. Für die Auslegung von AGB-Klauseln in UN-Kaufverträgen gilt das UN-Kaufrecht (56). Die sich an die Auslegung anschließende Inhaltskontrolle überprüft die inhaltliche Gültigkeit der einzelnen AGB-Klauseln (57). Da die Rechtsfragen der Gültigkeit des Vertrags bzw. seiner Bestimmungen nicht Gegenstand des UN-Kaufrechts sind, Art. 4 Buchst. a CISG, ist für die Inhaltskontrolle von AGB ausschließlich nationales Recht maßgeblich (58). Gleiches gilt für nationale Vorschriften, die — wie etwa § 305 Buchst. c BGB — für die Vereinbarung überraschender Klauseln die bloße vertragliche Einbeziehung nicht ausreichen lassen (59) oder — wie etwa besonders formalisierte Einbeziehungsvoraussetzungen — ausnahmsweise als Gültigkeitsbestimmungen zu qualifizieren sind (60). Wenngleich danach die Gültigkeitskontrolle von AGB nach nationalem Recht vorzunehmen ist, bei Geltung deutschen Subsidiärrechts im Geschäftsverkehr unter Unternehmern daher § 307 BGB eingreift (61), kann Prüfungsmaßstab der Inhaltskontrolle nicht schlechthin das unvereinheitlichte, nationale Recht sein. Vielmehr ist besonders umsichtig zu überprüfen, ob das nationale Recht für den Fall der Nichtbeachtung einer gesetzlichen Bestimmung tatsächlich die Nichtigkeit der AGB-Klausel anordnet und ein solches Nichtigkeitsverdikt auch für internationale Verträge gelten soll. Insbesondere ist bei der inhaltlichen Kontrolle von AGB Klauseln, die die Bestimmungen des UN-Kaufrechts modifizieren, den Wertungen Rechnung zu tragen, die dem UN-Kaufrecht zugrunde liegen und in seinen Vorschriften Niederschlag gefunden haben (62). 5. Zusammenfassende Thesen Für die Einbeziehung von AGB-Klauseln in einen UN-Kaufvertrag ist zu beachten: – Sprache: Sowohl der Text der AGB wie auch der Hinweis auf ihre Geltung sind in der Regel entweder in der Heimatsprache der anderen Partei oder in der Vertragssprache zu formulieren. – Vorlage: Der Text der AGB muss der anderen Vertragspartei in der Regel in vollem Umfang und spätestens zum Zeitpunkt der Abgabe der letztlich entscheidenden Vertragsannahmeerklärung vorliegen. – Hinweis: Auf die Geltung der AGB ist spätestens bis zum Zeitpunkt der Abgabe der letztlich entscheidenden Vertragsannahmeerklärung hinreichend deutlich hinzuweisen. – Zustimmung: Die Annahme des Vertragsangebots durch den anderen Vertragspartner wird in der Regel in zu vermutender Kenntnis des Geltungshinweises auf die vorliegenden AGB erklärt. Eine ausdrückliche Zustimmung zur Geltung der AGB ist nicht erforderlich. – AGB-Kollision: Bei widersprechenden AGB gilt grundsätzlich zunächst das Prinzip des "letzten Wortes". – Klarstellung: Im Falle inhaltlich abweichender Erklärungen sollten beide Parteien um eine Klarstellung besorgt sein. Im Zweifel empfiehlt sich eine Rückfrage bei der anderen Vertragsseite oder eine etwaige inhaltliche Ungewissheiten ausräumende Gegenbestätigung. Footnotes (1) vgl. etwa Müller/Otto, Allgemeine Geschäftsbedingungen im internationalen Wirtschaftsverkehr, Neuwied, 1994 sowie Boggiano, International Standard Contracts, Dordrecht/Boston/London, 1992
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Version 4.4-en (2022) | ![]() |
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