Convention on Contracts for the International Sale of Goods — CISG Online-Library |
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Die Arbeiten des Ausschusses der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (1977)Verfasser | Prof. Dr. Rolf Herber Quelle: Recht der internationalen Wirtschaft. 1977 (6). S. 314–320. Auszug Jahr: 1977. [...] III. Sonstiges Neben den beiden Hauptgegenständen blieb nur wenig Zeit für die Erörterung anderer Themen, die zur Vorbereitung der weiteren Arbeit des Ausschusses behandelt werden mußten. 1. Kaufrecht Zunächst wurde — wie schon kurz erwähnt — vereinbart, das Kaufrecht auf der zehnten Sitzung 1977 zu behandeln. Die Arbeitsgruppe hatte ihren Bericht erstellt, nachdem sie sich im Januar 1976 auf den Entwurf eines Übereinkommens — das an die Stelle des Haager Übereinkommens von 1964 über den internationalen Kauf beweglicher Sachen treten soll — geeinigt hatte; hierin waren nur noch wenige Fragen offengeblieben, über welche die Konferenz zu entscheiden haben wird. Der Entwurf ist den Staaten zur Stellungnahme übersandt worden. Die Bundesregierung hat inzwischen nach Anhörung der beteiligten Wirtschaftskreise und von Vertretern der Wissenschaft zur Vorbereitung der Beratungen auf der zehnten Sitzung ihre Auffassung schriftlich dargelegt. Der Entwurf lehnt sich weitgehend an das Haager Kaufrechts-Übereinkommen an, enthält jedoch eine Reihe von Abweichungen. In den Modifikationen folgt er teilweise dem UNCITRAL-Verjährungsübereinkommen sieht dieses allerdings leider auch dort, wo es sachlich möglich wäre, nicht immer als Vorbild an. Die Bestimmungen über den Anwendungsbereich sollen vereinfacht werden, indem es nicht mehr auf die Beförderung der Sache über die Grenze ankommen soll — ein Kriterium, welches zu mannigfachen Auslegungsschwierigkeiten Anlaß gibt. Andererseits wird aber der dann recht weite Anwendungsbereich wiederum dadurch eingeengt, daß der Kauf von Gegenständen für den persönlichen Bedarf dem Übereinkommen nicht unterfallen soll; damit wird eine Abgrenzung eingeführt, die gewiß nicht weniger problematisch ist. Im Gegensatz zu dem Haager Übereinkommen soll der Geltungsbereich des Übereinkommens nunmehr ausdrücklich auf Verträge zwischen Parteien in verschiedenen Vertragsstaaten beschränkt werden. Damit entfällt die durch den zu weiten Geltungsbereich des Haager Übereinkommens bedingte Notwendigkeit, entsprechende Vorbehalte — mit der Folge verschiedener Geltungsbereiche für die einzelnen Vertragsstaaten — zuzulassen. Ist diese Beschränkung — die dem Verjährungsübereinkommen entspricht — zu begrüßen, so wird doch — als ein Kompromiß zwischen dieser engen Lösung und dem weiten Anwendungsbereich des Haager Übereinkommens — eine Erweiterung durch eine Bestimmung vorgesehen, wonach das Übereinkommen auch dann anzuwenden sein soll, wenn die Regeln des Kollisionsrechts zur Anwendung der Sachnormen eines Vertragsstaates führen. Die Bundesregierung hat sich in ihrer Stellungnahme gegen diese Vorschrift ausgesprochen. Sie führt nicht nur zu einer Abweichung vom Geltungsbereich des Verjährungsübereinkommens, sondern erscheint auch sachlich bedenklich. Die Vorbehalte, die nach dem Übereinkommen von 1964 zulässig sind und (schon von den jetzigen wenigen Vertragsstaaten und trotz Versuchs der Koordinierung in der EG) sehr unterschiedlich ausgenutzt wurden, haben zu erheblicher Unklarheit des Geltungsbereiches geführt; vgl. Dölle/Herber, Einheitskaufrecht, Rdnrn. 3 ff. vor Artt. 1–8 EKG. Es mag für die Vertragsstaaten durchaus sachgerecht sein, die Regeln des internationalen Übereinkommens auch aulinternationale Kaufverträge anzuwenden, die zwischen ihren Staatsangehörigen und den Angehörigen von Nichtvertragsstaaten abgeschlossen werden; eine solche Regelung ist zum Beispiel auf der Grundlage des Haager Übereinkommens — trotz der Inanspruchnahme des Vorbehalts von Artikel III, also grundsätzlicher Beschränkung der Abkommensgeltung auf Verträge zwischen Vertragsstaaten — von Holland kraft innerstaatlichen Rechts getroffen worden [17]. Die ausdehnende Anwendung gegenüber Nichtvertragsstaaten muß aber für die Vertragsstaaten stets eine freiwillige sein, die völkerrechtliche Verpflichtung sollte nicht so weit reichen. Andernfalls würden sich die Vertragsstaaten zu einer Vorleistung gegenüber Nichtvertragsstaaten verpflichten, die nicht unter allen Umständen und gegenüber jedem Staat ohne Rücksicht auf dessen Einstellung zu den einheitlichen Kaufgesetzen gerechtfertigt erscheint. Ein wichtiges Anliegen — namentlich der skandinavischen Länder —bei der Revision war von Anbeginn an eine Änderung des Begriffs der Lieferung. Das Haager Übereinkommen hat einige rechtstechnische Schwierigkeiten dadurch aufgeworfen, daß es — im Gegensatz zum deutschen Recht — als Lieferung nur die Übergabe einer Vertragsgemäßen, d. h, mangelfreien Sache ansieht18; dadurch wurden insbesondere einige gekünstelte Regelungen beim Gefahrübergang erforderlich. Der Entwurf schließt sich nunmehr in diesem Punkt dem deutschen Recht und dem normalen Sprachgebrauch an. Es kann allerdings bezweifelt werden, ob damit wesentliche sachliche Änderungen einhergehen. Der Begriff der wesentlichen Vertragsverletzung, welcher nach dem System des Entwurfs — ebenso wie nach dem Haager Kaufrechtsübereinkommen [19] — eine zentrale Rolle spielt, soll nunmehr anders als bisher definiert werden, nämlich als einen erheblichen, voraussehbaren Nachteil für die andere Partei verursachend. Dieses Kriterium der Schwere des Schadens ist sicherlich für eine klare Abgrenzung ungeeigneter als der gegenwärtige Maßstab des — dem Verletzer ersichtlichen — Interesses des Geschädigten. Die Bundesregierung hat sich deshalb für die Wiederaufnahme des Interessengesichtspunkts ausgesprochen. Erfreulich ist dagegen, daß die Fälle der Vertragsaufhebung kraft Gesetzes, die im Haager Übereinkommen in einigen Fällen vorgesehen sind, in welchen in der Praxis regelmäßig Deckungskäufe oder Deckungsverkäufe erfolgen, entfallen sollen. Diese Bestimmungen gelten als die für die Vertragstreue Partei gefährlichsten der Haager Übereinkommen, weil sie der verletzten Partei den vertraglichen Erfüllungsanspruch nehmen können, ohne daß diese eine entsprechende Erklärung abgibt oder sich auch nur der Rechtslage bewußt wird. Streitig geblieben war vor allem die Frage, ob Kaufverträge der Schriftform bedürfen sollen. Dies wurde von den Ostblockstaaten im Interesse der Rechtsklarheit verlangt, von den Industriestaaten jedoch wegen zu großer Starrheit insbesondere der Einzelabreden nicht akzeptiert. Der Ausschuß wird sich hierzu auf seiner zehnten Sitzung äußern. Er wird auch zu entscheiden haben, ob er die Bestimmung des Entwurfs annehmen will, wonach Handelsbräuche nach wie vor dem Gesetz vorgehen sollen, allerdings etwas enger definiert worden sind als nach dem Haager Kaufrechtsübereinkommen; auch diese Bestimmung war kontrovers. Die Arbeitsgruppe Kaufrecht hatte den Ausschuß um Weisungen für ihre weitere Arbeit gebeten. Sie neigte zu der Auffassung, daß die jetzt von ihr — gemäß dem schon früher erteilten Mandat -— in Angriff zu nehmenden Arbeiten über die Revision des Haager Übereinkommens von 1964 über den Abschluß internationaler Kaufverträge auf die Gültigkeit von Kaufverträgen (d. h. also die Fragen namentlich der Geschäftsfähigkeit und der Anfechtung) erstreckt werden sollten, sofern sich hiergegen im Verlaufe der weiteren Arbeiten keine sachlichen Bedenken ergeben sollten. Ein Entwurf des Römischen Instituts für die Vereinheitlichung des Privatrechts (UNIDROIT) über die Gültigkeit von Kaufverträgen war bereits früher an UNCITRAL zur weiteren Behandlung überwiesen worden [20]. Ferner hatte die Arbeitsgruppe ihre Absicht mitgeteilt, das — eventuell in dieser Weise Erweiterte — Abschlußübereinkommens auf alle (Handelgs)Geschäfte, nicht nur auf Kaufverträge) anwendbar zu machen. UNCITRAL billigte die Erweiterungsabsicht auf andere als Kaufverträge nicht. Die große Mehrheit der Staaten sprach sich dafür aus, zunächst nur das Kauf recht — dieses aber auch, soweit möglich, unter Einschluß der Aspekte, die nach deutscher Systematik dem allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts zuzurechnen sind — zu regeln. Ein allgemeines internationales Vertragsrecht, wie es von UNIDROIT seit langem vorbereitet wird, sei keine aktuelle, sondern eine langfristige wissenschaftliche Arbeit; es wurde auch angenommen, daß die Staaten ihre allgemeinen Regeln nur in dem Umfang an ein internationales Übereinkommen anzupassen bereit sein würden, in dem dies durch praktische Notwendigkeit besonders geboten sei. Die von der Arbeitsgruppe vorgeschlagene Ausdehnung der Arbeiten auf die Gültigkeit von Verträgen wurde nicht sehr eingehend behandelt, aber jedenfalls auch nicht ausgeschlossen. Dagegen wurde in diesem Zusammenhang — namentlich auf deutschen Wunsch — darüber verhandelt, ob sich nicht die Zusammenfassung der materiellen Kaufrechtskonvention und des Abschlußübereinkommens in einem Vertragsinstrument empfehle. Zwar wurde der Vorteil — Angleichung der allgemeinen Terminologie, der Systematik und vor allem des Anwendungsbereichs (wie sie im Verhältnis zum Verjährungsübereinkommen infolge von dessen isolierter Behandlung voraussichtlich nicht bestehen wird) durchaus gesehen, doch sprach sich namentlich die UdSSR mit großem Nachdruck dafür aus, das wichtige materielle Übereinkommen ohne Rücksicht auf den Stand der Arbeiten am Abschlußübereinkommen möglichst bald zu verabschieden. Von manchen wurde auch befürchtet, die Zusammenfassung des Stoffes in einem Übereinkommen könne dessen Annahmechancen vermindern. Gleichwohl gelang es immerhin, die Entscheidung über die Zusammenfassung bis zur zehnten Sitzung des Ausschusses aufzuschieben und die Arbeitsgruppe zunächst einmal zu beauftragen, den Entwurf des Abschlußübereinkommens so bald wie möglich fertigzustellen. Je nach dem Stand der Vorbereitungsarbeiten am Abschlußübereinkommen soll dann über die Verbindung beider Vorhaben entschieden werden. Wenn der Arbeitsstand dann eine Fusion zulassen sollte, könnte dem zuletzt genannten Bedenken ohne weiteres dadurch Rechnung getragen werden, daß eine Vorbehaltsregelung jedem Staat die teilweise Annahme des Übereinkommens ermöglicht. Als vermittelnde Lösung bliebe dann immerhin, wenn man sich für die Zusammenfassung nicht aussprechen sollte, wenigstens das von deutscher Seite hilfsweise vorgeschlagene Verfahren, wenigstens beide Übereinkommen auf einer Staatenkonferenz (die ja ohnehin voraussichtlich erst 1980 abgehalten werden wird) zu beraten; dadurch würde immerhin der Gleich klang so weit wie möglich gewährleistet und eine Fusion noch im letzten Augenblick ermöglicht. [...] Fussnoten RIW/AWD 1976 8. 131; zum Entwurf auch V. Hoffmann, RIW/ AWD 1976 S. 1 ff. RabelsZ 1975 S. 342 ff.; dazu auch Landfermann, RabelsZ 1975 S. 253 ff. Dölle/Herber, Einheitskaufrecht, Rdnr. 10 vor Artt. 1–8 EKG. Dölle/Huber, Einheitskaufrecht, Art. 19 EKG Rdnr. 153. Art. 10 EKG und Dölle/Huber, a.a.O., Art. 10 EKG Rdnrn. 2 ff. und 27. Vgl. RIW/AWD 1976 S. 126 (En. 9). |
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