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Das VN-Übereinkommen über internationale Kaufverträge — Teil 2

Verfasser | Prof. Dr. Rolf Herber

Quelle: Recht der internationalen Wirtschaft. 1980 (9). S. 601–608.

Jahr: 1980.

4. Materielles Kaufrecht

a) Allgemeines, Definitionen (Art. 25 bis 29)

Den materiellen Bestimmungen sind nochmals einige Definitionen vorausgeschickt, die nur für diesen Teil des Übereinkommens gelten. Es sind jedoch weniger als nach dem EKG.

Im Mittelpunkt des Interesses vor und während der Konferenz stand die Definition der „wesentlichen Vertragsverletzung“ (Art. 25). Sie mag im Verhältnis zu Art. 10 EKG noch gewisse Schwächen haben, konnte jedoch auf der Konferenz gegenüber dem Vorentwurf beachtlich verbessert werden. Wesentlich ist eine Vertragsverletzung danach stets dann, wenn sie dem anderen Partner einen Schaden verursacht, der seine nach dem Vertrage berechtigten Erwartungen entscheidend beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn der Vertragsbrüchige diese Folge nicht vorhergesehen hat und nicht vorhersehen konnte. Die Formulierung ist für den deutschen Juristen gewiß noch ungewohnter als die des Art. 10 EKG. Gleichwohl blieb das wesentliche Element der Definition erhalten, nämlich die Verbindung des Maßstabes mit dem Interesse der einen Partei an dem vertragsmäßigen Verhalten der anderen, im Ergebnis dürften in der Auslegung keine Unterschiede bestehen.

Ausdrücklich gesagt ist dann (Art. 26), daß die Vertragsaufhebung einer Erklärung der betroffenen Partei bedarf. Die Fälle automatischer Vertragsauflösung, die das EKG kennt, sind im Interesse der Rechtssicherheit nicht übernommen worden.

Wie schon das EKG (Art. 14, 39 Abs. 3) macht jedoch auch das VN-Übereinkommen (Art. 27) eine Ausnahme von diesem Grundsatz insofern, als die Absendung der Erklärung genügt, sofern eine dem Fall angemessene Übermittlungsart gewählt wurde. Die Zuordnung des Übermittlungsrisikos an den Vertragsgegner entspricht dem auch sonst in der Konvention angewandten Prinzip, daß derjenige die Übermittlungsgefahr zu tragen hat, dessen vertragswidriges Verhalten zu der Erklärung Anlaß gab.

Beibehalten worden ist in dem neuen Übereinkommen der wichtige und bedauerliche Grundsatz, daß die Gerichte der Vertragsstaaten, die eine Verurteilung zur Erfüllung nicht kennen, auch in den Fällen des Übereinkommens hierzu nicht verpflichtet sind; es bleibt dort stets nur bei einer Schadensersatzleistung in Geld. Hieraus können sich praktische Unterschiede — etwa bei dem Anspruch auf Nachbesserung (Art. 46 Abs. 3) — ergeben, die jedoch im Hinblick auf die feste Verankerung dieses Prinzips im Bewußtsein der Common-Law-Länder nicht überwindbar waren. Gleichwohl wird der Unterschied beim Handelskauf vielleicht deshalb keine entscheidende Bedeutung erlangen, weil die Klage auf Erfüllung in Natur auch in unserem Rechtssystem wirtschaftlich die Ausnahme darstellt.

Schließlich ist noch die Auslegungsregel niedergelegt, daß ein schriftlicher Vertrag, der auch für die Änderungen Schriftform vorsieht, zwar grundsätzlich nur auf diese Weise geändert werden kann, daß jedoch eine Partei durch ihr Verhalten das Recht, sich hierauf zu berufen, verlieren kann.

b) Verkäuferpflichten (Art. 30 bis 52)

Die Umschreibung der Verkäuferpflichten, insbesondere der Haftung des Verkäufers für Mängel der Sache, stellt das Kernstück des Übereinkommens dar.

Art. 30 stellt den Grundsatz voran, daß der Verkäufer verpflichtet ist, Güter zu liefern, Dokumente auszuhändigen und das Eigentum zu übertragen, wie es im Vertrag in Verbindung mit dem Übereinkommen im einzelnen vorgeschrieben ist.

Zunächst ist klargelegt, wo (Art. 31) und wann (Art. 3 3) der Verkäufer die Güter zu liefern hat und welche Nebenpflichten ihn hinsichtlich der etwaigen Beförderung (Art. 32) und Dokumente (Art. 34) treffen.

Diese Umschreibung ist gegenüber dem EKG, welches in diesen Fragen unübersichtliche Mehrfachregelungen enthält, wesentlich vereinfacht.

Aufgegeben worden ist die Definition der Lieferung als der Übergabe einer vertragsmäßigen Sache, wie sie in Art. 19 Abs. 1 EKG enthalten ist und auf erhebliche Kritik gestoßen war. Wo von der Lieferung die Rede ist, wird diese nunmehr — dem deutschen Recht entsprechend — als Übergabe der Sache angesehen. Ob die Sachen in diesem Zeitpunkt mangelfrei waren, ist in erster Linie bedeutsam für den Gefahrübergang. Dieser ist nach den Sondervorschriften der Art. 66 ff. zu beurteilen, die in Art. 70 einen — allerdings nicht leicht verständlichen, jedoch über das in diesem Punkte schweigende und unklare deutsche Recht hinausgehenden — Ansatz zur Lösung versuchen.

Die Vertragsgemäßheit der Sachen und die Rügepflicht sind in Art. 35 bis 44 geregelt.

Die Anforderungen an Menge und Qualität bestimmt in erster Linie der Vertrag; dies gilt auch für die Verpackung. Fehlt eine vertragliche Vereinbarung, so kommt es auf die Eignung zum üblichen Gebrauch, auf die Eignung für einen dem Verkäufer bekannten besonderen Zweck (es sei denn, daß der Käufer sich hinsichtlich dieser Eignung auf die Beurteilung des Verkäufers nicht verlassen hat oder nicht verlassen konnte), auf die Entsprechung mit einer Probe an. Die Verpackung muß üblich oder sachgerecht sein.

Der Verkäufer hat für solche Sachmängel einzustehen, wenn sie bei Gefahrübergang bestanden oder sich danach durch sein Verschulden ergaben oder wenn er eine Garantie übernommen hat; er haftet nicht, sofern dem Käufer die Mängel bei Vertragsschluß bekannt waren. Die Folgen dieses Einstehenmüssens weichen — wie nach dem Haager Kaufrecht — vom deutschen Recht insofern ab, als einerseits stets auch eine Schadensersatzpflicht besteht, andererseits aber eine Entlastungsmöglichkeit nach Maßgabe des Art. 79. Hierauf ist noch kurz einzugehen.

Die Prüfungs- und Rügepflicht des Käufers entspricht ebenfalls im wesentlichen dem Haager Kaufrecht, ist jedoch — dies war der einzige Streitpunkt auf der Konferenz, in dem sich die Interessen der Entwicklungsländer und der Industriestaaten als Gruppen gegenüberstanden — durch einen neuen Art. 44 etwas aufgeweicht worden.

Zunächst hat der Käufer die Waren so schnell wie möglich zu prüfen oder prüfen zu lassen. Beim Versendungskauf oder bei einer Umleitung oder Weiterversendung der Güter genügt die Untersuchung am Bestimmungsort.

Stellt der Käufer dabei einen Mangel fest, oder hätte er ihn feststellen müssen, so hat er ihn innerhalb angemessener Frist nach der Feststellung oder dem Zeitpunkt, in dem er den Mangel hätte feststellen müssen, anzuzeigen. Im Gegensatz zu Art. 39 EKG sowie zum Vorentwurf verliert jedoch der Käufer bei Unterlassung einer solchen Anzeige nicht stets alle Rechte. Dieser Rechtsverlust tritt vielmehr mit Sicherheit erst ein, wenn er den Mangel nicht innerhalb von zwei Jahren nach der Übergabe rügt (Art. 39 Abs. 2). Unterbleibt eine vorher gebotene Rüge und hat der Käufer für die Unterlassung eine Entschuldigung, so behält er das Recht auf Minderung sowie das Recht, den Ersatz des negativen Interesses zu verlangen (Art. 44).

Es ist also dabei geblieben, daß der Käufer stets alle Rechte aus der Mangelhaftigkeit verliert, wenn er nicht innerhalb von zwei Jahren rügt, gleichgültig, ob der Mangel bekannt war oder nicht. Die Pflicht zu früherer Rüge ist einmal hinsichtlich ihrer Voraussetzungen („within a reasonable time“ — „innerhalb angemessener Zeit“ anstelle von „promptly“ = „innerhalb kurzer Frist“), sodann aber vor allem wegen der erwähnten Einschränkung der Folgen abgeschwächt. Die Abschwächung dieser Rügewirkung stellt bereits einen mühsam erarbeiteten Kompromiß dar. Die Entwicklungsländer wollten zunächst die Ausnahme im Falle entschuldigter Nichtanzeige sowohl dem Umfang als auch der Zeit nach unbeschränkt anerkannt haben. Die Nichtannahme des Kompromisses durch die Industrieländer würde die Ablehnung des Übereinkommens durch die Entwicklungsländer zur Folge gehabt haben. Insbesondere auch im Hinblick auf die sonst auf der Konferenz erreichten Verbesserungen erschien eine solche Konsequenz nicht geboten oder auch nur vertretbar. Dies um so mehr, als es Vertragsparteien in Industriestaaten (eingeschlossen die Ostblockstaaten, welche ebenfalls für schärfere Folgen unterlassener Rüge eintraten) überlassen bleibt, strengere Vereinbarungen zu treffen; eine schärfere Rügepflicht wird sich im übrigen hier schon regel mäßig aus den dem Übereinkommen vergehenden Gebräuchen ergeben. Die Sorge der Entwicklungsländer, daß die dortigen geschäftsunerfahrenen und von den Handelsplätzen weiter entfernten Partner, durch Rügepflichten, die auf die Möglichkeiten in den Industrieländern zugeschnitten sind, benachteiligt werden könnten, ist keineswegs stets von der Hand zu weisen. Allerdings hätte auch der frühere Text die Berücksichtigung solcher Besonderheiten vielleicht ermöglicht und mag der beschlossene Text der Rechtsprechung insbesondere von Gerichten in den Entwicklungsländern einen Anreiz zu einer zu weiten Auslegung geben. Die Interessen des Verkäufers erscheinen aber durch die absolute Zweijahresfrist und die ergänzenden Gebräuche jedenfalls hinreichend gewahrt.

Die Haftung für Rechtsmängel ist im Prinzip genau so ausgestaltet wie die für Sachmängel. Der Verkäufer haftet dafür, daß die Sache frei von Rechten und Ansprüchen Dritter ist, sofern nicht der Käufer diese bewußt in Kauf genommen hat.

Eine Sonderregelung enthält das VN-Übereinkommen jedoch — anders als das Haager Kaufrecht, wo diese Ansprüche unter die allgemeine Rechtsmängelhaftung fielen — für Ansprüche aus gewerblichen Schutzrechten (Art. 42). Für Freiheit von diesen hat der Verkäufer nur insoweit einzustehen, als er die Rechte bei Vertragsschluß kannte oder hätte kennen müssen. Auch dann haftet er nur für die Freiheit in bestimmten Gebieten, nämlich in dem Staat, in dem die Waren nach seiner Kenntnis verwendet werden sollen, oder, beim Fehlen dieser Voraussetzung, in dem Staat, in welchem der Käufer seine Niederlassung hat.

Auch bei Rechtsmängeln hat der Käufer innerhalb angemessener Frist nach Kenntnis oder Kennenmüssen zu rügen; die Rüge hat die zur Sachmängelhaftung erwähnte abgeschwächte Wirkung, die absolute Zweijahresfrist fehlt hier.

Bei Vertragsverletzungen des Verkäufers stehen dem Käufer eine Reihe von Rechtsbehelfen alternativ zur Verfügung (Art. 45). Das System entspricht dem des Haager Kaufrechts.

Der Käufer kann zunächst Erfüllung verlangen, sofern er nicht ein hiermit unvereinbares Rechtsmittel (etwa Vertragsaufhebung) geltend gemacht hat. Auf die Einschränkung der Durchsetzbarkeit dieses Anspruchs in den Common-Law-Staaten wurde bereits hingewiesen.

Ferner kann der Käufer (bei Gattungssachen) Ersatzlieferung verlangen, sofern die Schlechtlieferung eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt und das Verlangen zur Ersatzlieferung mit oder unmittelbar nach der Mängelrüge erhoben worden ist.

Der Käufer kann — nach gleicher Ankündigung wie bei dem Begehren auf Ersatzlieferung — Nachbesserung verlangen, sofern dies nicht mit Rücksicht auf die Umstände unangebracht ist (etwa gegenüber einem bloßen Händler, der die technische Möglichkeit hierzu nicht hat). Dieses Recht ist auf Betreiben der Bundesrepublik Deutschland und der skandinavischen Staaten auf der Konferenz noch eingefügt worden (Art. 46 Abs. 3). Damit ist eine Klarstellung in einem Punkt erreicht worden, der im Vorentwurf offen war und in der Kritik wiederholt aufgegriffen wurde [18].

Unabhängig von dem Nachbesserungsanspruch des Käufers hat der Verkäufer ein Nachbesserungsrecht, das er jedoch nur ausüben kann, wenn dadurch dem Käufer keine unzumutbaren Beschwernisse oder Gefahren für die Erstattung von Auslagen entstehen; dieses Recht tritt zurück, wenn der Käufer die Aufhebung des Vertrages erklärt (zu den Einzelheiten vergl. Art. 48).

Aufhebung des Vertrages kann der Käufer erklären, wenn der Vertragsverstoß des Käufers eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt oder wenn — im Falle der Nichtlieferung- der Verkäufer nicht innerhalb einer vom Käufer gesetzten Nachfrist liefert.

Danach besteht das Aufhebungsrecht nicht mehr, wenn die Schlechtlieferung keine wesentliche Vertragsverletzung darstellt; auch eine Nachfristsetzung (die nach Art. 47 möglich ist) führt dann nicht zu einem Aufhebungsrecht. Allerdings ist anzunehmen, daß die Gerichte eine beharrliche Verweigerung der Nachbesserung jedenfalls bei Handelswaren, die so nicht verkäuflich sind, als wesentliche Vertragsverletzung ansehen werden.

Für die Geltendmachung des Aufhebungsrechts sind bestimmte Fristen gesetzt (Näheres Art. 49 Abs. 2).

Art. 50 sieht — trotz vieler Angriffe aus dem Lager der Common-Law-Staaten — das Recht auf Minderung vor.

Neben den Rechten auf Erfüllung (bzw. Ersatzlieferung oder Nachbesserung) und Minderung besteht — wie nach Haager Kaufrecht — stets auch ein Schadenersatzanspruch (Art. 45 Abs. 1 Buchst, b, der jedoch — da er Käufer und Verkäufer zustehen kann — an anderer Stelle des Übereinkommens im einzelnen geregelt ist (Art. 74 ff.)

Der Abschnitt über die Rechtsbehelfe des Käufers enthält schließlich noch Vorschriften über Teillieferung und Ablehnung vorzeitiger Lieferung (Art. 51, 52).

c) Käuferpflichten (Art. 53—65)

Die Grundpflichten des Käufers bestehen darin, den Preis zu zahlen und die Güter abzunehmen (Art. 53).

Die Zahlungspflicht umfaßt, wie nach Haager Kaufrecht, auch Nebenpflichten, die im Zusammenhang mit der Zahlung bestehen; so etwa die Beschaffung von Devisengenehmigungen und die Stellung eines Akkreditivs.

Fehlt eine Preisbestimmung (und ist gleichwohl ein gültiger Vertrag zustande gekommen), so ist der übliche Preis zu zahlen.

Ort und Zeit der Zahlung sind — ebenfalls in grundsätzlicher Anlehnung an das EKG — im einzelnen festgelegt. Zahlungsort ist der Geschäftssitz des Verkäufers oder, wenn Zahlung gegen Dokumente vereinbart ist, der Übergabeort der Dokumente. Damit ist auch nach dem VN-Übereinkommen die Zahlungspflicht eine Bringschuld. Dies wirft insbesondere hinsichtlich des — in dem Übereinkommen nicht geregelten — Gerichtsstands nach vielen Rechten, so auch nach deutschem Recht, Probleme auf: Wird nicht im Einführungsgesetz eine abweichende Regelung getroffen, so kann der Verkäufer an seinem Gerichtsstand den Käufer auf Zahlung verklagen [19].

Das neue Übereinkommen legt die Zahlungszeit für den Käufer günstiger als Art. 59 EKG fest; Bei Lieferung mittels Dokumenten — insbesondere auch beim Versendungsverkauf — ist im Zweifel Zahlung nur gegen Dokumente zu leisten. Dabei hat der Käufer das Recht, vor Zahlung die Sachen zu prüfen (Art. 58).

Das Übereinkommen sagt ausdrücklich, daß eine besondere Zahlungsaufforderung nicht erforderlich ist, um die Fälligkeit des Kaufpreises herbeizuführen (Art. 59).

Die Abnahme der Sachen durch den Käufer ist — wie nach Haager Kaufrecht — dahin definiert, daß der Käufer alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen muß, um dem Verkäufer die Lieferung zu ermöglichen, und daß er die Lieferung entgegenzunehmen hat (Art. 60). Huber [20] beanstandet mit Recht, daß eine Frist zur Abnahme nicht festgesetzt ist, obgleich das Übereinkommen an die verspätete Abnahme Rechtsfolgen knüpft.

Die Rechtsbehelfe bei Vertragsverletzung durch den Käufer entsprechen systematisch denen bei Vertragsverletzung durch den Verkäufer. Der Verkäufer kann entweder Zahlung oder die Aufhebung des Vertrages oder Schadensersatz verlangen.

Vertragsaufhebung kann der Verkäufer verlangen, wenn sich die Nichtzahlung als eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt oder wenn er Nachfrist gesetzt hat. Für die Aufhebung des Vertrages bestehen ferner gewisse zeitliche Grenzen (Art. 64 Abs. 2).

Beim Spezifikationskauf kann der Verkäufer, wenn die Spezifikation durch den Käufer unterbleibt, wie nach Haager Kaufrecht diese selbst vornehmen (Art. 65).

d) Gefahrübergang (Art. 66–70)

Das Übereinkommen regelt die sog. Preisgefahr, also die Frage, ob der zufällige Untergang der Ware einen Einfluß auf die Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises hat (Art. 66).

Art. 67 behandelt zunächst den Distanzkauf, bei dem die Waren einem Beförderer übergeben werden müssen. In diesem Falle geht die Gefahr mit der Übergabe an den Beförderer auf den Käufer über, es sei denn, daß der Verkäufer verpflichtet ist, die Güter an einem bestimmten Platz zu übergeben (etwa auf Grund der Incoterms). Die Güter müssen beim Gefahrübergang — etwa durch Markierungen — eindeutig dem bestimmten Vertrage zugeordnet worden sein.

Nach Art. 68 geht die Gefahr bei Gütern, die erst während der Beförderung veräußert werden, grundsätzlich mit Vertragsschluß über. Sprechen jedoch die (nicht näher bezeichneten) Umstände für einen entsprechenden Parteiwillen, so geht die Gefahr bereits rückwirkend mit der Aushändigung der Güter an den Beförderer, der das Beförderungsdokument ausgestellt hat, über; die Gefahr bleibt jedoch beim Verkäufer, wenn dieser bei Kaufabschluß wußte oder hätte wissen müssen, daß die Güter bereits beschädigt oder untergegangen waren. Eine Gesamtregelung, die zwar in einiger Hinsicht gegenüber dem Entwurf verbessert ist, insgesamt jedoch nicht gerade als klar bezeichnet werden kann.

Der theoretische Normalfall, daß eine Beförderung nicht stattfindet, ist (Art. 69) durch negative Verweisung geregelt. In diesen Fällen kommt es grundsätzlich darauf an, wann der Käufer die Ware tatsächlich übernommen hat. Ist er jedoch mit der Annahme in Verzug, nachdem der Verkäufer die Ware zu seiner Verfügung gestellt hat, so geht die Gefahr bereits dann über, wobei vorausgesetzt ist, daß klar erkennbar ist, welche Güter zur Erfüllung des jeweiligen Vertrages bestimmt sind.

Das Übereinkommen stellt ausdrücklich klar, daß bei wesentlicher Vertragsverletzung die normalen Rechtsbehelfe erhalten bleiben.

e) Gemeinsame Vorschriften für Käufer und Verkäufer (Art. 71–88)

Das Übereinkommen enthält, wie das Haager Kaufrecht, eine Reihe von Vorschriften, die für Verkäufer und Käufer gelten. Hier können nur kurz einige Regelungsgegenstände hervorgehoben werden.

Der erste Abschnitt befaßt sich mit einigen Sonderfällen, in denen einer Partei die weitere Durchführung des Vertrages nicht zuzumuten ist, weil die andere eine wesentliche Vertragsverletzung begangen hat oder voraussichtlich begehen wird.

Wird nach Vertragsschluß deutlich, daß die andere Partei einen wesentlichen Teil ihrer Verpflichtung nicht erfüllen wird, weil sie hierzu durch eine ernste Verschlechterung in ihren Fähigkeiten oder nach ihrem Verhalten bei der Vorbereitung der Vertragserfüllung nicht imstande sein wird, so kann der Vertragsgegner die Vertragserfüllung aussetzen. Dies gilt auch dann, wenn er die Güter bereits abgesandt hat; er kann dann — soweit dies beförderungsrechtlich noch möglich ist — die Aushändigung an den Empfänger verhindern. Das Recht zur Aussetzung entfällt, wenn der andere Sicherheit leistet.

Besondere Vertragsaufhebungsrechte bestehen nach Art. 72, 73 dann, wenn schon vor Durchführung des Vertrages klar ist, daß eine Partei eine wesentliche Vertragsverletzung begehen wird, sowie bei einem Ratenvertrag. Bei letzterem bezieht sich grundsätzlich eine Vertragsverletzung nur auf die einzelne Rate, doch kann die auf diese bezogene Vertragsverletzung dem anderen das Recht geben, den ganzen Vertrag aufzuheben, wenn daraus zu schließen ist, daß auch weitere Ratenleistungen nicht erfüllt werden dürften.

In einem weiteren Abschnitt sind Einzelheiten darüber geregelt, was als Schaden zu ersetzen ist.

Das Übereinkommen bleibt bei der Regel des Haager Rechts (dort Art. 82), daß der geschädigten Partei voller Ersatz ihres Schadens einschließlich des entgangenen Gewinns zu leisten ist. Zu ersetzen ist jedoch nur der für die andere Vertragspartei bei Vertragsschluß vorhersehbare Schaden (Art. 74).

Es folgen einige Schadensberechnungsvorschriften, nach denen beim Deckungskauf oder Deckungsverkauf jeweils die Differenz zu erstatten ist. Besteht ein gewöhnlicher Preis, so ist dieser der Schadensberechnung zugrunde zu legen.

Ausdrücklich ist schließlich gesagt, daß auch der Ersatzberechtigte alles tun muß, um den Verlust so gering wie möglich zu halten.

Nach langen Erörterungen wurde — insbesondere auf Drängen Schwedens — eine Zinsvorschrift aufgenommen, die im Haager Recht fehlt. Sie sagt jedoch lediglich in allgemeiner Form, daß bei Verzug Zinsen zu zahlen sind, daß jedoch (auch weitergehende) Schadensersatzansprüche nicht ausgeschlossen sind. Damit bleibt die wichtige Frage, wie hoch die Zinsen sind, offen; man konnte sich hierauf angesichts der nationalen Verschiedenheiten nicht einigen. Immerhin bringt die Vorschrift den Vorteil, daß die Zinszahlungspflicht auch ohne die Voraussetzungen des Schadensersatzes (etwa während eines Lieferhindernisses) im Übereinkommen festgelegt ist; die Höhe der Zinsen richtet sich nach anwendbarem Landesrecht.

In Art. 79 werden die Befreiungsgründe behandelt. Das Übereinkommen folgt hier im Prinzip dem Art. 74 EKG. Allerdings ist die Formulierung des Entlastungstatbestandes etwas anders als dort.

Daß ein „Hindernis außerhalb ihres Einflusses, welches sie vernünftigerweise bei Vertragsschluß nicht erwarten oder später ausräumen konnte“, die Partei befreit, ist zwar etwas objektiver formuliert als im Haager Recht, jedoch wohl inhaltlich nicht allzu unterschiedlich. Klargestellt ist nun ausdrücklich, daß eine Entlastung bei Erfüllungsgehilfen nur möglich ist, wenn diese Voraussetzungen sowohl für die Vertragspartei als auch für den Erfüllungsgehilfen zutreffen. Die Regel schließt nicht nur Bedienstete, sondern auch selbständige Erfüllungsgehilfen ein. Sie begründet jedoch keine Haftung für den Lieferanten; ein entsprechender Änderungsantrag Schwedens ist von der Konferenz abgelehnt worden.

Auf Vorschlag der DDR ist die Berücksichtigung eines Mitverschuldens in Art. 80 ausdrücklich verankert worden.

Schließlich sind die Wirkungen der Vertragsaufhebung im einzelnen eingehend geregelt. Die empfangenen Leistungen sind wechselseitig zurückzuerstatten, mit Zinsen oder Nutzungen. Im Gegensatz zum deutschen Recht — aber in Übereinstimmung mit dem EKG — bleiben Schadensersatzansprüche neben der Vertragsaufhebung möglich.

Schließlich enthält der letzte Abschnitt Vorschriften über die Verwahrung von Sachen, die eine Vertragspartei im Rahmen des Kaufvertrages in bestimmten Fällen für die andere in Besitz hat. Entsprechend dem Haager Kaufrecht sind die Rechte und Pflichten des Besitzers im einzelnen geregelt, insbesondere die Pflicht zur Einlagerung und zum Selbsthilfeverkauf.

5. Schlußbestimmungen

Das Übereinkommen liegt bis zum 30.9.1981 beim Generalsekretär der VN in New York zur Zeichnung auf. Es tritt in Kraft, wenn wenigstens 10 Staaten die Ratifikations- oder Beitrittsurkunde hinterlegt haben.

Es sind nur wenige Vorbehalte zugelassen. Abgesehen von der Erklärung, daß nur Teil II oder Teil III angewendet werden soll, sind Vorbehalte hinsichtlich der Schriftform für den Vertragsabschluß und hinsichtlich der Einschränkung des Geltungsbereichs nach Art. 1 Buchst. b gestattet.

Staaten, die das neue Übereinkommen ratifizieren, müssen das Haager Kaufrecht kündigen. Auf diese Weise wird dem Nebeneinanderbestehen zweier ähnlicher Konventionen entgegengewirkt.

Fussnoten

Huber, RabelsZ 1979 S. 486,521, sieht die Unklarheiten in diesem Punkt als einen der wesentlichen Mängel des Vorentwurfs an; ebenso meine Bemerkungen zum Vorentwurf in den Materialien zu dem in. Fn. 8 erwähnten Potsdamer Kolloquium.

Text ↑

§ 29 ZPO; vgl. auch Dolle/von Caemmerer, Einheitliches Kaufrecht, 1976, Art. 59 EKG Rdnr. 20.

Text ↑

RabelsZ 1979 S. 515.

Text ↑

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