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Anwendungsvoraussetzungen und Anwendungsbereich des UN-Übereinkommens über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) — Teil 2

Prof. Dr. iur. Peter Schlechtriem

Veröffentlicht in:

Aktuelle Juristische Praxis 1992. S.339–357

S. 339–346, 347–353, 354–357

3. Warenkauf

Als weitere Voraussetzungen für die Anwendung des Einheitskaufrechts nennt Art. 1 CISG "Kaufverträge über Waren". Auch diese Tatbestandsmerkmale der Anwendungsnorm bedürfen der Konkretisierung, die das Einheitskaufrecht nur zum Teil selbst leistet:

a) "Ware"

aa) "Ware" meint zunächst bewegliche Sachen. Das wird im Übereinkommen - anders als in Art. 1 Abs. 1 EKG - nicht mehr ausdrücklich gesagt, ergibt sich aber eindeutig aus der Entstehungsgeschichte 32). Kaufverträge über Immobilien oder Rechte, z.B. Immaterialgüterrechte, aber auch über Know-how fallen nicht unter das Übereinkommen 33). Selbst wenn verbriefte Förderungen nach nationalem Recht wie bewegliche Sachen gehandelt werden, unterfallen sie nicht dem Einheitskaufrecht, Art. 2 lit. d CISG.

Ebenfalls ausdrücklich ausgenommen sind in Art. 2 lit. e CISG Seeschiffe, Binnenschiffe, Luftkissenfahrzeuge oder Luftfahrzeuge. Der Ausschluss, der in ähnlicher Form schon im EKG zu finden war, hat seinen Grund in Sonderregeln für Schiffe, die häufig an das Immobiliarsachenrecht angelehnt sind: er war aber in Wien umstritten. So hat insbesondere Finnland geltend gemacht, dass die Sonderregeln für Schiffe sich nur auf den Eigentumsübergang, nicht aber auf den Kauf bezögen. Die Ausnahme ist nicht nur dem Grunde nach fraglich, sondern vor allem auch hinsichtlich ihrer Reichweite. Durch den Verzicht auf ein zusätzliches Merkmal, etwa der "Registrierung" der fraglichen Schiffe, ist jetzt offen, ob z.B. auch kleine Sportboote, Schlauchboote usw. dem Ausschluss unterfallen 34). Es will mir jedenfalls nicht einleuchten, dass ein Kaufvertrag, den ein Schweizer Sportartikelhändler mit einem deutschen Hersteller über die Liefe-

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-rung von hundert kleinen Jollen, tausend Tennisschlägern usw. schliesst, hinsichtlich der Jollen nicht dem Einheitskaufrecht unterliegen soll. Ausgeschlossen sind schliesslich Kaufverträge über elektrische Energie, Art. 2 lit. f CISG, während andere Energieträger - Gas, Öl - grundsätzlich als "Ware" anzusehen sind 35).

bb) Als "Ware" gelten auch solche Gegenstände, die der Verkäufer erst herstellen oder erzeugen muss. Deshalb können beispielsweise auch Verträge über Industrieanlagen unter das Einheitskaufrecht fallen. Voraussetzung ist nach Art. 3 Abs. 1 CISG jedoch, dass das für die Herstellung oder Erzeugung erforderliche Material vom Lieferanten und nicht etwa vom Besteller selbst stammt: Stellt der Besteller einen wesentlichen Teil "der für die Herstellung oder Erzeugung notwendigen Stoffe" selbst zur Verfügung, bearbeitet also mit anderen Worten der sog. Lieferant fremde Sachen, dann liegt ein nach nationalem Recht zu beurteilender Werkvertrag, u.U. auch ein Dienstvertrag vor. Insbesondere fallen Lohnveredelungsverträge aus dem Anwendungsbereich des Einheitskaufrechtes heraus. Die für die Abgrenzung von Werkvertrag zu Werklieferungsvertrag in Art. 3 Abs. 1 CISG gezogene Grenze des "wesentlichen Teils" des Materials ist m.E. nach Wertrelationen zu bestimmen, also nach dem Wertverhältnis, in dem das von beiden Parteien jeweils zu liefernde Material zueinander steht 36).

Beim Verkauf einer herzustellenden Industrieanlage, die auf einem Grundstück des Käufers errichtet werden soll, bleibt aber der Wert des Grundstücks ebenso wie der Umstand, dass die Anlage mit dem Einbau wesentlicher Bestandteil einer Immobilie wird, ausser Betracht: Entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob eine Sache beweglich und aus überwiegend vom Lieferanten gestelltem Material hergestellt worden ist, bleibt der Lieferzeitpunkt 37).

cc) Unanwendbar ist das Übereinkommen nach Art. 3 Abs. 2 CISG schliesslich auf Verträge, bei denen die Pflichten des Lieferanten sich nur zum kleineren Teil auf Warenlieferung, zum überwiegenden Teil dagegen auf Arbeiten oder andere Dienstleistungen beziehen 38). Übernimmt eine deutsche Firma in Basel die Ausrichtung einer Gartenschau, dann bezieht sich der überwiegende Teil ihrer Pflichten auf die Dienstleistung, und zwar m.E. auch dann, wenn der Materialwert der Blumen, Sträucher etc. am Gesamtpreis einen höheren Anteil hat als der Arbeitslohn 39).

Streitig ist schon jetzt, ob in Fällen, in denen eine Industrieanlage geliefert wird und der Lieferant für eine bestimmte Zeit Managementleistungen verspricht, für einen solchen gemischten, aber einheitlichen Vertrag über Lieferung und Dienstleistungen eine rechtliche Aufspaltung mit dem Ziel möglich ist, auf den Lieferteil das Einheitskaufrecht und auf den Dienstleistungsteil das jeweils nationale Recht anzuwenden, oder ob man in jedem Fall nach Art. 3 Abs. 2 CISG nach dem Gewicht der Pflichten fragen muss und so entweder zu völliger Nichtanwendung oder völliger Anwendung des Einheilskaufrechtes kommt. Ähnlich liegen die Fälle des Verkaufs von Anlagen mit Montageverpflichtung 40). M.E. muss der Parteiwille entscheiden: Sollen die verschiedenen Vereinbarungen als ein Vertrag gelten, dann muss für den gesamten Vertrag entschieden werden, welchem Regime er untersteht. Können die einzelnen Vereinbarungen dagegen als selbständige oder jedenfalls abtrennbare Verträge gelten, dann kommen unterschiedliche Rechtsregeln in Betracht 41) - was nicht verwundern sollte, da ja auch bei Fehlen von Einheitsrecht und Verweisung auf nationale Rechte über IPR u.U. eine "Aufspaltung" des gesamten Vertragswerks in Betracht kommt.

dd) Nach dem Art. 3 CISG zugrunde liegenden Prinzip ist - in Anwendung des hier noch vorzustellenden Art. 7 Abs. 2 CISG - die Streitfrage zu entscheiden, ob Verträge über die Lieferung von Software unter das Überein-

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-kommen fallen 42). Sachfrage ist natürlich vor allem, inwieweit Mängel des in der Software enthaltenen Programms nach Einheitskaufrecht haftbar machen: eine vergleichbare Frage ist im übrigen bereits für das Gebiet der Produkthaftung aufgeworfen worden 43) M.E. wird man zunächst zwischen auf festen Datenträgern fixierter und durch Lieferung dieser Datenträger zugänglich zu machender Software und solchen Programmen unterscheiden müssen, die vom Hersteller elektronisch an den Erwerber übermittelt werden - im letzteren Falle scheidet Anwendung des Einheitskaufrechts wohl aus; Handel mit Informationen, Know-how usw. ist nach herkömmlichem Verständnis kein Warenhandel. Auch wenn in dem einen oder anderen Land vielleicht eine entsprechende Anwendung von Kaufrecht auf solche "geistige Ware" erwogen worden sein könnte, dürfte eine einheitliche Auffassung in allen Vertragsstaaten nicht zu erwarten sein. Vor allem passen grosse Teile der auf greifbare Gegenstände zugeschnittenen Regelungen des CISG auf den Kauf von Informationen nicht, z.B. die Vorschriften zur Lieferpflicht des Verkäufers, Artt. 30-32 CISG (Übergabe? Beförderung? Eigentumsverschaffung?), zur Gefahrtragung, Artt. 66 ff. CISG, zu Erhaltungspflichten, Artt. 85 ff. CISG, und zum Selbsthilfeverkauf, Art. 88 CISG. Die diesbezüglichen Lücken wird man schwerlich durch Rückgriff auf allgemeine Grundsätze schliessen können, da solche im CISG bezüglich Software sicher fehlen. Ob die Haftungsregelung für den Fall Dritten zustehender Immaterialgüterrechte, etwa eines Urheberrechts - Artt. 42 f. CISG -, passt, müsste im einzelnen noch untersucht werden. Auch ist daran zu erinnern, dass Fragen der Lieferung von Know-how, der Übertragung von Immaterialgüterrechten und der darauf gerichteten Pflichten auf jeden Fall vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen bleiben sollten 44). Insgesamt spricht mehr gegen eine Anwendung des Einheitskaufrechts in solchen Fällen als dafür.

Wird die Software auf festen Datenträgern geliefert, dann ist m.E. zu unterscheiden, oh es sich um standardisierte Datenprogramme oder um ein speziell für den Besteller hergestelltes Programm handelt. Im ersteren Falle stehen die Datenträger Büchern gleich, die zweifellos unter das Übereinkommen fallen 45) die eigentliche Sachfrage, ob Fehlinformationen in Büchern eine vertragswidrige Beschaffenheit darstellen und inwieweit für Fehlerfolgen zu haften ist, soll hier nicht vertieft werden. Bei individuell entsprechend bestimmten Bedürfnissen des Bestellers entwickelten Datenprogrammen besteht dagegen der überwiegende Teil der Pflichten des Software-Lieferanten in der Erstellung des Programms, so dass nach Art. 3 Abs. 2 CISG eine Anwendung des Einheitskaufrechts ausscheidet.

b) "Kauf"

Auch die Frage, ob eine letztendlich auf Verschaffung von Nutzungsmöglichkeit, Besitz und Eigentum gerichtete Verpflichtung eine solche aus einem "Kaufvertrag" ist, kann Probleme aufwerfen. Ausgegrenzt werden vom Einheitskaufrecht selbst bereits Versteigerungen - und zwar auch Privatversteigerungen (Auktionen) 46) - sowie Zwangsvollstreckungs- oder andere gerichtliche Massnahmen, die zu einer Übertragung im Zuge der Verwertung führen, und zwar unabhängig davon, ob nationale Rechte solche Vorgänge - wie etwa eine Versteigerung -vielleicht als Kauf qualifizieren, Art. 2 lit. b und lit. c CISG. Schwierigkeiten können bei Vertragsgestaltungen wie dem Mietkauf entstehen, bei dem im Ergebnis der Kaufpreis in als Mietzins deklarierten Raten erbracht wird. Aber auch Leasingverträge können letztendlich auf Absatz auf der einen Seite und Erwerb der Sachnutzung für die gesamte (begrenzte) Lebenszeit eines Vertragsguts auf der anderen Seite, die dem Leasingnehmer im Ergebnis den Substanzwert verschaffen soll, abzielen, wie die umfangreiche Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs zur Behandlung von Leasingverträgen als Abzahlungskäufe zeigt 47). Entscheidend wird man für die Qualifikation als Kauf und die daraus folgende

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Anwendung des Einheitskaufrechts darauf abstellen müssen, ob der Vertrag im Ergebnis darauf gerichtet ist, die Sache wirtschaftlich dem Erwerber ganz zu verschaffen, sei es, dass die Summe der Leasingraten während der Laufzeit des Vertrages den Kaufpreis plus Finanzierungskosten abdeckt, der Leasingnehmer am Ende der Laufzeit den Gegenstand erwerben kann und deshalb die Sachsubstanz erhält, sei es, dass der Gegenstand am Ende der Leasingzeit wirtschaftlich völlig verbraucht ist und der Leasingnehmer im wirtschaftlichen Ergebnis für die mit der Leasingzeit identische Lebenszeit des Gegenstandes Inhaber geworden ist und deshalb jedenfalls den Substanzwert zugewiesen erhalten hat.

Ein "Kaufvertrag" muss jedenfalls die Verpflichtung zur Leistung von Sachen gegen Geld beinhalten, so dass Tausch- 48) oder Barterverträge 49) nicht unter das Übereinkommen fallen. Das wird auch dadurch bestätigt, dass UNCITRAL ein eigenes Übereinkommen für Barterverträge in seinem Arbeitsprogramm hat. Ausgeschlossen sind auch Vertriebsvereinbarungen und Vertragshändlerverträge als solche 50), wenngleich auch hier Abgrenzungsschwierigkeiten entstehen können, wie die deutsche Rechtsprechung zum EKG zeigt 51).

B. Ab- und Ausgrenzungen

Wie bereits in der Einleitung als Hauptproblem sektoraler Rechtsvereinheitlichung vorgestellt, schneidet die Regelung für grenzüberschreitende Warenkaufverträge aus einem komplexen wirtschaftlichen und rechtlichen Geschehen ein Segment heraus und stellt dafür vereinheitlichte Rechtsnormen auf, während andere Teile dieses Geschehens weiter dem unvereinheitlichten, durch IPR zu bestimmenden Recht unterliegen. Bereits die Anwendungsvoraussetzung "Warenkauf" warf, wie ausgeführt, dabei eine Reihe von Grenzziehungsfragen auf, die das Übereinkommen selbst nicht hinreichend deutlich beantwortet. Darüber hinaus grenzt das Übereinkommen aus seinem Anwendungsbereich aber auch solche Fragen aus, die bei rechtsvergleichender und funktionaler Qualifikation durchaus als solche der Regelungsmaterie "Kaufvertrag" gesehen werden müssten. Massgebend für solche Ausgrenzungen war zumeist, dass man für die ausgegrenzten kaufrechtlichen Sachfragen aufgrund der ausserordentlich divergierenden Auffassungen, die den unterschiedlichen nationalen Regelungen zugrunde liegen, eine einheitliche Regelung nicht zu erreichen können glaubte.

1. Ausgenommen sind nach Art. 2 lit. a CISG Verträge über Waren für den persönlichen Gebrauch oder den Gebrauch in der Familie oder im Haushalt. Das entspricht im wesentlichen der Eingrenzung der sog. Haustürgeschäfte in dem seit 1.7.1991 in Kraft befindlichen Art. 40 a OR 52) ("für den persönlichen oder familiären Gebrauch des Kunden bestimmt"). Kauft also ein Rechtsanwalt aus Basel eine Polstergarnitur für seine Wohnungseinrichtung in einem Lörracher Möbelhaus, dann fällt dieser Vertrag nicht unter das Einheitskaufrecht. Mit der Ausnahme in Art. 2 lit. a CISG wollte man Konsumentenkäufe aus dem Anwendungsbereich des Einheitskaufrechtes herausnehmen, um Kollisionen mit nationalem Konsumentenschutzrecht weitgehend zu vermeiden 53). In concreto kann es trotzdem zu einer teilweisen Überschneidung von Einheitskaufrecht und nationalem Konsumentenschutzrecht kommen, wenn die Anwendungsvoraussetzungen des nationalen Konsumentenschutzrechtes nicht mit den Ausgrenzungsvoraussetzungen des Art. 2 lit. a CISG übereinstimmen, also als geschützter Konsument z.B. auch der Kleingewerbetreibende gilt, der Waren für sein Gewerbe ankauft. Für den Fall der Geltung Schweizer Rechts kann diese Kollision, da die Voraussetzungen des Konsumentenschutzes in Art. 40 a OR mit den Voraussetzungen eines Konsumentenkaufes nach Art. 2 lit. a CISG weitgehend übereinstimmen, nur dann auftreten, falls der persönliche Bezug nicht erkennbar war. Denn insoweit enthält Art. 2 lit. a CISG eine Ausnahme von der Ausnahme: Ist die Intention, den Kaufgegenstand für den persönlichen Gebrauch zu verwenden, nicht erkennbar, dann bleibt es bei der Anwendbarkeit des CISG. Wenn in Abwandlung meines Beispiels ein Waldshuter Anwalt in einem Basler Möbelhaus unter Verwendung seines Kanzleibogens einen Schreibtischsessel für den als solchen nicht erkennbaren häuslichen Gebrauch kauft, dann gelten wohl die Artt. 40 a ff. OR (als Verkäuferrecht) neben dem CISG 54). Entstehen in einein solchen Fall Konflikte zwischen den Regelungen des Einheitskaufrechts und nationalem Konsumentenschutzrecht, dann kann der noch zu behandelnde Art. 4 S. 2 lit. a CISG helfen; im übrigen gehe ich aber vom Vorrang des Einheitskaufrechtes aus. Ein Widerruf wäre in meinem vorgenannten Beispiel nach Art. 40 b OR also auch hinsichtlich eines CISG-Vertrages möglich, da er die nach nationalem Recht zu beurteilende Gültigkeit des Vertrages betrifft, Art. 4 S. 2 lit. a CISG (dazu noch unten C. Text nach FN 66).

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2. Eine wichtige Ausnahme vom Anwendungsbereich des Einheitskaufrechts enthalt Art. 5 CISG: Die Haftung des Verkäufers für den durch die Ware verursachten Tod oder die Körperverletzung einer Person richtet sich nur nach dem durch IPR bestimmten nationalen Recht. Die in den Teilnehmerstaaten der Wiener Konferenz unterschiedlich entwickelte und Gegenstand anderer Rechtsangleichungsbemühungen bildende Produktehaftung sollte vom Einheitskaufrecht nicht geregelt werden, um zum einen Staaten mit einem unterentwickelten Produkthaftungsrecht nicht mit der verschuldensunabhängigen Haltung des Einheitskaufrechts eine Haftungsverschärfung aufzunötigen 55), andererseits, um Probleme aus der Konkurrenz von nationalem Deliktsrecht 56) und nationalen Konkurrenzregeln wie dem französischen Prinzip des "non-cumul" 57) mit dem Einheitskaufrecht zu vermeiden. Freilich ist diese verständliche Absicht nicht ganz verwirklicht worden, denn das Einheitskaufrecht bleibt anwendbar, wo ein Sachschaden als Mangelfolgeschaden auftritt. So haben sich z.B. auch in der Schweiz schon kritische Stimmen vernehmen lassen, die die verschuldensunabhängige Haftung des Verkäufers für Mangelfolgeschaden als eine Verschlechterung der Rechtsstellung von Schweizer Verkäufern im Vergleich zur Regelung im OR gerügt haben 58). Tatsächlich liegt hier eine Verschärfung der Haftung des Verkäufers - wenn auch nur gegenüber dem Käufer im Vergleich zu verschuldensabhängiger Deliktshaftung, aber auch zu dem auf die EG-Richtlinie zurückgehenden europäischen Produkthaftungsrecht vor, das nach Art. 9 lit. b der Richtlinie 59) Sachschäden an gewerblich genutzten Rechtsgütern von der Haftung ausnimmt.

3. Ausgenommen von der Anwendung des Einheitskaufrechts sind schliesslich nach Art. 4 S. 2 lit. b CISG Eigentumsübertragung bzw. Eigentumsübergang. So bestimmt sich weiter nach nationalem Recht, ob das Eigentum an der verkauften Ware bereits mit dem Abschluss des Kaufvertrages oder erst mit der Tradition oder nur aufgrund eines weiteren Rechtsgeschäftes der Übereignung übergeht. Deshalb bleiben auch die Zulässigkeit eines Eigentumsvorbehalts, seine Voraussetzungen und die Möglichkeiten seiner Ausgestaltung im einzelnen nationalem Recht vorbehalten.

4. Das Einheitskaufrecht enthält keine Verjährungsregeln. Für den wichtigsten Bereich der Haftungsdauer des Verkäufers wird freilich durch die Rügeobliegenheit und die zweijährige Ausschlussfrist des Art. 39 CISG ein gewisser Ausgleich für die fehlende Vereinheitlichung der Haftungsdauer durch Verjährungsvorschriften geschaffen. Bereits im Jahre 1974 hatte UNCITRAL ein "Übereinkommen über die Verjährung beim internationalen Warenkauf" erarbeitet, das in Wien an das Kaufrechtsübereinkommen angepasst wurde. Das Übereinkommen ist zwar am 1.8.1988 in Kraft getreten, aber bisher erst von einer kleinen Zahl von Staaten ratifiziert worden. Die Bundesrepublik hat nach meinen Informationen nicht die Absicht, dieses Übereinkommen in Geltung zu setzen; soweit ich ermitteln konnte, gilt für die Schweiz ähnliches. Es bleibt also für die Verjährung bei dem über IPR jeweils berufenen nationalen Recht, nach h.A. im deutschen IPR also bei den Verjährungsregeln des Schuldstatuts 60).

C. Abgrenzung des sachlichen Geltungsbereichs durch Art. 4 S. 1 CISG

1. Von besonderer Bedeutung für die Ein- und Abgrenzung des sachlichen Geltungsbereichs ist Art. 4 S. 1 CISG. Er bestimmt, dass das Übereinkommen ausschliesslich den Abschluss des Kaufvertrages und die aus ihm erwachsenden Rechte und Pflichten der Parteien regelt. Rechte und Pflichten der Parteien nach dem Übereinkommen, also der materielle Inhalt des Kaufvertrages, stehen freilich, wie noch berichtet wird, unter dem Vorbehalt der Parteiautonomie: Im einzelnen regelt - hier kann für die Darstellung des Anwendungsbereichs insoweit nur ein Überblick gegeben werden - das Übereinkommen in seinem Teil III Kap. II die Pflichten des Verkäufers zur Lieferung der Ware und Übergabe der Dokumente und vor allem hinsichtlich der Vertragsmässigkeit der Ware, d.h. ihrer Freiheit von Sach- und Rechtsmängeln, sowie die korrespondierenden Rechtsbehelfe des Käufers bei Pflichtverletzungen des Verkäufers. In Kap. III werden dann entsprechend zunächst die Pflichten des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises und zur Abnahme geregelt und korrespondierend dazu die Rechtsbehelfe

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des Verkäufers bei Pflichtverletzungen durch den Käufer. Ein Sonderkapitel regelt den Gefahrübergang. Kap. V enthält gemeinsame Bestimmungen für die Pflichten von Käufer und Verkäufer, und zwar zur sog. Verschlechterungseinrede, zum antizipierten Vertragsbruch, zum Sukzessivlieferungsvertrag und - vor allem - zum Umfang des Schadenersatzes und seiner Berechnung. Zinsen auf einen rückständigen oder rückzahlbaren Kaufpreis sind grundsätzlich geschuldet, doch konnte man sich auf einen Zinssatz nicht einigen. Art. 78 CISG verweist deshalb insoweit auf das anwendbare nationale Recht, grenzt diese Frage also aus dem Anwendungsbereich aus. Von grosser Bedeutung sind die in Abschnitt IV geregelten Entlastungsmöglichkeiten für einen vertragsbrüchigen Schuldner, Art. 79 f. CISG. Zu den allgemeinen, für beide Vertragsparteien gleichermassen geltenden Bestimmungen gehören schliesslich die Vorschriften über Voraussetzungen und Wirkungen einer Vertragsaufhebung und zur Erhaltung der Ware.

2. Art. 4 S. 1 CISG bestimmt, wie zitiert, die Geltung des Einheitskaufrechts (abgesehen von den Rechten und Pflichten von Käufer und Verkäufer) "ausschliesslich (für) den Abschluss des Kaufvertrages". Dieser Satz ist nicht ganz richtig, denn in Art. 29 CISG regelt das Übereinkommen als einheitsrechtliche Materie auch die Möglichkeit der Vertragsänderung oder -aufhebung. Für eine Vertragsänderung oder -aufhebung gelten also die Vorschriften des Einheitskaufrechts über den Vertragsschluss ebenfalls. Im übrigen normiert das Einheitskaufrecht zum Vertragsschluss freilich nur das Zustandekommen eines Vertrages durch Angebot und Annahme. Ungelöst bleiben Fragen, die aus dem Zustandekommen einer von beiden Parteien gewollten Bindung durch sukzessives Einigwerden entstehen, wenn also der Vertrag gerade nicht durch zwei deutlich auszumachende Willenserklärungen "Angebot" und "Annahme" geschlossen wird. Auch ein Vertragsschluss durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben, der im Haager Kaufabschlussgesetz durch die Massgeblichkeit auch nationaler Bräuche möglich war, ist durch die engere Fassung für die zu beachtenden internationalen Gebräuche 61) heute wohl kaum noch möglich 62).

Hinzunehmen muss man zu den Abschlussvorschriften wohl auch die in den allgemeinen Bestimmungen eingeordnete Vorschrift des Art. 8 CISG zur Auslegung von Erklärungen, also gerade auch der Vertragsschlusserklärungen. Sie stellt in erster Linie auf den subjektiven Willen des Erklärenden ab, "wenn die andere Partei diesen Willen kannte oder darüber nicht in Unkenntnis sein konnte". Hilfsweise ist darauf abzustellen, "wie eine vernünftige Person der gleichen Art wie die andere Partei sie (die Erklärung oder ein erklärungsäquivalentes Verhalten) unter gleichen Umständen aufgefasst hätte", Art. 8 Abs. 2 CISG. In der Praxis wird der zuletzt genannten Vorschrift regelmässig entscheidende Bedeutung zukommen. Um den subjektiven Willen einerseits oder den objektiven Verständnishorizont des Erklärungsempfängers andererseits festzustellen, sind alle erheblichen Umstände zu berücksichtigen. Dazu rechnen nicht nur - selbstverständlich - die Verhandlungen zwischen den Parteien, sondern auch ihr späteres Verhalten. Im ganzen dürften diese Auslegungsregeln dem entsprechen, was auch aufgrund des Art. 18 OR gilt 63).

3. Im übrigen aber regelt das Einheitskaufrecht nur den formellen Konsens der Parteien durch Angebot und Annahme. Art. 4 S. 2 lit. a CISG behält dagegen "die Gültigkeit des Vertrages oder einzelner Vertragsbestimmungen" ausdrücklich dem nationalen Recht vor. Eine Gegenausnahme stellt lediglich der in Art. 11 CISG festgehaltene Grundsatz der Formfreiheit dar 64). Insoweit regelt also das Einheitskaufrecht in Abweichung von Art. 4 S. 2 lit. a CISG doch eine Gültigkeitsvoraussetzung. Allerdings war gerade der Grundsatz der Formfreiheit in Wien ausserordentlich umstritten, so dass - wieder - ein Kompromiss in Gestalt einer Vorbehaltsmöglichkeit geschlossen wurde: Vertragsstaaten können bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations- oder Beitrittsurkunde erklären, dass sie an Art. 11 CISG nicht gebunden sein wollen. Von dieser Vorbehaltsmöglichkeit nach Art. 96 CISG haben z.B. Argentinien, die Volksrepublik China, Chile, die ehemalige UdSSR, die Ukraine, Ungarn und Weissrussland Gebrauch gemacht. Er bewirkt, dass dann, wenn am Kaufvertrag eine Partei mit Niederlassung in einem Vorbehaltsstaat beteiligt ist, der Grundsatz der Formfreiheit nicht gilt. Statt dessen sind nationale Formvorschriften zu beachten. Freilich ist streitig, ob insoweit das vom IPR des Forumstaates berufene Formstatut anzuwenden ist oder ob sich stets die Formvorschriften des Niederlassungs(vorbehalts)staates durchsetzen 65). Kontrahieren in

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Ungarn und in der Schweiz, niedergelassene Parteien, so ist deshalb fraglich, ob stets ungarische Formvorschriften - so es sie gibt - anwendbar sind oder ob - so meine Ansicht - das vom IPR des Forums berufene Formstatut massgebend ist, also bei einer Verweisung auf Schweizer Recht grundsätzlich Formfreiheit 66) für einen Kaufvertrag gilt.

4. Abgesehen von der Formfreiheit und dem Konsens der Parteien, der durch Übereinstimmung von Angebot und Annahme zum Ausdruck gebracht wird, bleibt es für die Beurteilung der Gültigkeit des Vertrages nach Art. 4 S. 2 lit. a bei dem durch IPR bestimmten nationalen Recht. Diese Bestimmung ist von ausserordentlicher Tragweite und konnte sich als ein cauchemar für die Anwendung des Einheitskaufrechts und die erreichte Rechtsvereinheitlichung erweisen. Eine entsprechende Bestimmung fand sich schon in Art. 8 S. 2 EKG. Fragen des inneren Konsenses, also Probleme der Willensmängel, der Geschäftsfähigkeit, der Vertretungsmacht oder inhaltlichen Gültigkeit gemessen an Verbotsgesetzen und dem allgemeinen Sittengesetz sollten und konnten nicht vereinheitlicht werden. Geschäftsfähigkeit und Voraussetzungen wirksamer Vertretung, Nichtigkeit oder Vernichtbarkeit als Folge von Willensmängeln, Nichtigkeitsfolge bei Gesetz- oder Sittenverstössen richten sich deshalb gemäss Art. 4 S. 2 lit. a CISG weiter nach nationalem Recht. Gültigkeitsvoraussetzung nach nationalem Recht ist dabei z.B. auch eine erforderliche behördliche Genehmigung, ihre Nichtigkeit bewirkende Versagung ist beachtlich. Wirtschaftslenkende Gesetze, etwa für den Export oder Import bestimmter Güter, die Kaufverträge verbieten oder unter behördliche Genehmigungspflicht stellen, fallen deshalb ebenso unter Art. 4 S. 2 lit. a CISG wie Schutzvorschriften zugunsten von Verbrauchern, die bestimmte Vertragsgestaltungen mit einem Ungültigkeitsverdikt belegen 67). So würden etwa Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die gegen das deutsche AGB-Gesetz verstossen, auch in einem grenzüberschreitenden Vertrag nichtig sein, wenn und soweit das deutsche AGB-Gesetz über IPR berufen ist. Widerrufsmöglichkeiten für bestimmte, besonders geschützte Personenkreise, etwa sog. Verbraucher, rechnen ebenfalls hierher, zumal sie ja in der Funktion den "klassischen" Regeln zum Schutz beschränkt Geschäftsfähiger gleichen 68).

5. Der Vorrang nationaler Gültigkeilsvorschriften kann aber vor allem dort zu Schwierigkeiten führen, wo die Gültigkeitsnorm des nationalen Rechts Sachfragen entscheidet, die das Einheitskaufrecht ebenfalls, inhaltlich aber anders regelt. Ich will dafür drei Beispiele nennen:

a) Objektive anfängliche Unmöglichkeit oder (und) auf Absurdes gerichtete Verpflichtungen werden von vielen nationalen Rechtsordnungen, die den Satz des römischen Rechts "Impossibilium nulla est obligatio" übernommen haben, als Grund für die Nichtigkeit des Vertrages gesehen, so z.B. § 306 BGB, Art. 20 OR. Das Einheitskaufrecht sieht dagegen in der Tradition des anglo-amerikanischen Rechts die anfängliche objektive Unmöglichkeit als einen Fall der Leistungsstörung 69), der das Zustandekommen eines Vertrages nicht hindert und dem betroffenen Gläubiger die allgemeinen Rechtsbehelfe gibt. Das wird ganz deutlich aus der Bestimmung des Art. 68 CISG, der den Fall regelt, dass verkaufte reisende Ware bei Vertragsschluss bereits untergegangen war 70). Würde man in einein solchen Fall nationale Vorschriften für diese Fallgestaltung nur deshalb anwenden, weil sie rechtstechnisch das Problem des Verkaufs einer bereits bei Vertragsschluss untergegangenen Ware als Gültigkeitsfrage behandeln, dann würde eine im Einheitskaufrecht getroffene Regelung untergraben.

b) Schwieriger ist das Problem konkurrierender Irrtumsanfechtungsmöglichkeiten zu lösen. Ein Irrtum kann sich z.B. auf die Beschaffenheit der verkauften Ware oder auf die Leistungsfähigkeit des Vertragspartners beziehen. Lässt man im ersten Fall eine Irrtumsanfechtung zu, dann werden damit möglicherweise die Regeln des Einheitskaufrechts zur Haftung des Verkäufers, insbesondere aber die Voraussetzung einer rechtzeitigen Rüge unterlaufen. Lässt man die Anfechtung wegen eines Irrtums über die Leistungsfähigkeit, z.B. die Kreditwürdigkeit, des anderen Teils nach nationalem Recht zu, dann wird die Regelung der Verschlechterungseinrede in Art. 71 CISG gefährdet, die im Falle, dass man nach Vertragsschluss die fehlende Leistungsfähigkeit des anderen Teils erkennt, dem Vorleistungspflichtigen nur ein Zurückbehaltungsrecht gewahrt. Die Einstellung zur Lösung dieses Konkurrenzproblems ist offenbar nicht zuletzt davon abhängig, wie es im nationalen Recht gelöst wird 71): Wo man - wie in Österreich - Irrtumsanfechtung neben Sachmängelgewährleistung zulässt, wird überwiegend

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auch Anfechtung neben den Rechtsbehelfen nach Einheitskauf recht befürwortet 72). Wo dagegen - wie in Deutschland - ab Gefahrübergang Irrtumsanfechtung ausgeschlossen ist und der Käufer auf die Gewährleistungsrechtsbehelfe des Kaufrechts verwiesen wird, ist ganz herrschende Ansicht, dass die gleiche Exklusivität der kaufrechtlichen Rechtsbehelfe für das Einheitskaufrecht selten muss. Immerhin ist zu vermerken, dass in der Schweiz, wo die Rechtsprechung ähnlich wie in Österreich Irrtumsanfechtung neben Sachmängelgewährleistung zulässt, im Schrifttum vertreten wird, dass diese für das nationale Recht vielleicht plausible und zu rechtfertigende Lösung im Interesse der Bewahrung der Rechtsvereinheitlichung nicht auf Fälle übertragen werden sollte, die dem Einheitskaufrecht unterliegen 73). Zu der Irrtumsanfechtung und ihrem Verhältnis zu Art. 71 CISG darf ich aus meinen eigenen Erfahrungen auf der Wiener Konferenz und insbesondere in der Arbeitsgruppe, die einen Kompromiss zwischen verschiedenen Ansichten erarbeitet hat, berichten, dass der Ausschluss eines Anfechtungsrechtes eines der Motive war, die Verschlechterungseinrede des Art. 71 CISG auch auf Situationen zu erstrecken, in denen die Leistungsfähigkeit einer Partei schon vor Vertragsschluss gefährdet und die andere Partei in einem entsprechenden Irrtum befangen war. Es war mit anderen Worten ausdrückliches Bestreben, unterschiedliche und deshalb unberechenbare nationale Anfechtungsvorschriften so weit als möglich zurückzudrängen.

c) Wie schwierig die Wertungstragen sind, die durch solche Konkurrenz nationaler Gültigkeitsvorschriften mit den für den gleichen Sachverhalt ausdrücklich getroffenen Regelungen des Einheitskaufrechts aufgeworfen werden, möchte ich mit einem letzten Beispiel belegen:

Art. 29 CISG lässt, wie bereits erwähnt, auch Änderung und Aufhebung eines Vertrages zu. Mit dieser Vorschrift sollte insbesondere verhindert werden, dass die Änderung eines Vertrages nur dann gültig ist, wenn - wie nach englischem Recht - der durch die Änderung begünstigte Teil eine "consideration" gegeben hat 74). So hatte in einem vielzitierten Fall die Mannschaft eines englischen Schiffes in St. Petersburg eine Erhöhung ihrer Heuer mit der Drohung verlangt, andernfalls von Bord zu gehen. Der Kapitän bewilligte im Namen der Reederei die Lohnerhöhung, doch weigerte sich die Reederei nach der Rückkehr, in England den erhöhten Lohn auszubezahlen. Das Gericht gab ihr Recht, da die Matrosen für den zusätzlich versprochenen Lohn keine zusätzliche Gegenleistung erbracht hätten; zur Arbeit auf der Rückfahrt waren sie ja bereits verpflichtet 75). Das amerikanische Recht hat das "consideration"-Efordernis fallen gelassen, hält aber für Änderungen an der Voraussetzung fest, dass sie in "good faith" vereinbart worden sind. Mit diesem zusätzlichen Erfordernis soll - ähnlich wie in dem berichteten Fall - verhindert werden, dass ein Schuldner kurz vor dem Leistungstermin mit der Drohung, nicht oder nicht rechtzeitig zu erfüllen, die Vereinbarung einer höheren Gegenleistung erreicht. Dieses "good faith"-Erfordernis ist Gültigkeitsvoraussetzung, und in der amerikanischen Literatur zum Einheitskaufrecht wird lebhaft diskutiert, ob eine Änderung nach Art. 29 CISG diesem nationalen Gültigkeitserfordernis genügen müsse. Zunächst ist man geneigt, ein solches Durchschlagen nationaler Rechtsvorstellungen zu verwerfen, zumal die Intention der Verfasser des Art. 29 CISG ja gerade dahin ging, das "consideration"-Erfordernis aufzugeben, das deshalb nicht durch funktionsäquivalente Voraussetzungen wie das genannte "good faith"-Erfordernis durch die Hintertür wieder Eingang finden darf. Aber bei einem zweiten Nachdenken stösst man ja unvermeidlich darauf, dass auch nach kontinentalem Recht u.U. eine in der beschriebenen Art erzwungene Vertragsänderung anstössig und wegen Sittenwidrigkeit nicht sein kann, z.B., wenn der Schuldner droht, er werde nicht erfüllen, dem Gläubiger damit erheblichen Schaden zufügen, zu Schadenersatzleistungen aber ohnehin nicht in der Lage sein. Dass hier aber Vorschriften wie § 138 BGB oder Art. 29 OR als zu beachtende Gültigkeitsvorschriften zu sehen sind, dürfte ausser Zweifel stehen 76). Wie ist zu entscheiden?

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Fussnoten

32) S. SCHLECHTRIEM/HERBER (FN 13). Art. 1 CISG Rn. 20; CZERWENKA (FN 1). 147: HOYER (FN 1), 71.

33) Vgl. HONNOLD (FN 20), Art. 2 CISG § 56.

34) Vgl. zum Streitstand im einzelnen SCHLECHTRIEM/HERBER (FN 13). Art. 2 CISG Rn. 33.

35) Vgl. SCHLECHTRIEM/HERBER (FN 13), Art. 2 CISG Rn. 37, mit Hinweis auf die Entstehungsgeschichte: In Wien wurden Anträge, Verträge über Öl ausdrücklich auszunehmen, abgelehnt, YB VIII (1977), 27, Nr. 35; O.R., 200, Nr. 11 ff.

36) Streitig, a.A. z.B. Loewe (FN 12), Art. 3 CISG, 29: "Wesentlich" sei nicht unbedingt im Sinne von wertmässig zu verstehen; genauer KAROLLUS (FN 18), 23: Der Stoffbeitrag des Bestellers sei "wesentlich", wenn er die herzustellende Sache bereits entscheidend präge; wie hier SCHLECHTRIEM/HERBER (FN 13), Art. 3 CISG Rn. 3: REINHART (FN 29), Art. 3 CISG Rn. 1; HONNOLD (FN 20), Art. 3 CISG § 59; aus hermeneutischen Gründen zweifelnd AUDIT (FN 11), 26.

37) SCHLECHTRIEM/HERBER (PN 13), Art. 1 CISG Rn. 23; bestätigend KAROLLUS (FN 18), 21.

38) Zu Anlagelieferverträgen s. HERBER, Anwendungsvoraussetzungen (FN 1), 103: SCHLECHTRIEM/HERBER (FN 13), Art. 3 CISG Rn. 8 (Tendenz zur Nichtanwendung des CISG): PH. KAHN, La Convention de Vienne du 11 avril 1980 sur les contrats de venle internationale de marchandises, 33 Rev. int. dr. comp. (1981), 951, 955 f. (für eine Anwendung des CISG); F. ENDERLEIN/D. MASKOW/H. STROHBACH-MASKOW, Internationales Kaufrecht, Berlin 1991, Art. 3 CISG Anm. 7 und HONNOLD (FN 20), Art. 3 CISG § 60.3. (differenzierend).

39) Streitig, vgl. hierzu P. SCHLECHTRIEM, Einheitliches UN-Kaufrecht, Tübingen 1981, 1.7, mit Nachweis der abweichenden Meinung von J. FARNSWORTH, der auf der Wiener Konferenz das Beispiel gebildet hatte, dass der Malerbetrieb mit Goldfarbe anzustreichen hat und deshalb wertmässig der Lieferanteil der Leistung so hoch ist, dass das Einheitskaufrecht Anwendung finden sollte; a.A. auch HONNOLD (FN 20), Art. 3 CISG § 60.1.

40) Hierzu SCHLECHTRIEM/HERBER (FN 13), Art. 3 CISG Rn. 5 ff.

41) So auch AUDIT (FN 11), 27: KAROLLUS (FN 18), 24; vorsichtiger HONNOLD (FN 20), Art. 3 CISG S; 60.2.

42) Vgl. hierzu die Diskussion auf den "Berner Tagen für die juristische Praxis 1990", in: E. BUCHER (Hrsg.), Wiener Kaufrecht. Der schweizerische Aussenhandel unter dem UN-Übereinkommen über den internationalen Warenkauf, Bern 1991, 101; sowie G. HEYMANN, Anwendungsbereich des Wiener Kaufrechts - Kollisionsrechtliche Probleme, a.a.O.. 83. 92 f.

43) Vgl. W. ROLLAND, Produkthaftungsrecht, München 1990, § 2 Rn. 17 f.; M. KORT, Produkteigenschaft medizinischer Software, CR 1990, 171, 173 ff.; E. HEYMANN, Haftung des Softwareimporteurs, CR 1990, 176 f.

44) Vgl. ENDERLEIN/MASKOW/STROHBACH-MASKOW (FN 38), Art. 1 CISG Anm. 2; CZERWENKA (FN 1), 147 f.; s. auch oben A./3.a)/aa) und A./3.a)/dd).

45) Vgl. KILIAN (in Kürze zu veröffentlichendes Referat, gehalten im Rahmen der Fachgruppe "Datenverarbeitungsprogramme als Gegenstand des Rechtsverkehrs" auf der Tagung der Gesellschaft für Rechtsvergleichung in Saarbrücken vom 18.-21.9.1991), 4.2.2.1; zum deutschen Recht B.-A. PAULUSCH, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Kaufrecht, WM 1991, Sonderbeilage Nr. 9, 4.

46) Anders noch das EKG, das nur gerichtliche Versteigerungen aufgrund Beschlagnahme ausnahm, s. SCHLECHTRIEM/ HERBER (FN 13), Art. 2 CISG Rn. 19 ff.; zum Grund für diese Ausnahmen s. SCHLECHTRIEM (FN 39), 15: Auktionen haben wenig internationalen Bezug, da sie meist an Ort und Stelle vollzogen werden. Zudem ist die Geltung des nationalen Rechts des Auktionsortes allgemein akzeptiert. Weitere Gründe bei AUDIT (FN 11), 29.

47) Vgl. zu dieser sog. "Endziel-Theorie" des BGH umfassend M. MARTINEK, Moderne Vertragstypen, Bd. 1, München 1991, 96 ff. Zur Anwendung des CISG auf Leasingverträge s. einerseits (bejahend) P. VOLKEN, Redebeitrag in SCHLECHTRIEM (FN 1), 113: andererseits (ablehnend) ENDERLEIN/MASKOW/STROHBACH-MASKOW (FN 38), Art. 1 CISG Anm. 1. Zum Verhältnis von Leasing und Kauf im amerikanischen Recht vgl. HONNOLD (FN 20), Art. 3 CISG § 60.4.

48) Vgl. KAROLLUS (FN 18), 24 f.

49) A.A. HONNOLD (FN 20), Art. 2 CISG § 56. 1.

50) Vgl. näher HONNOLD (FN 20), Art. 2 CISG § 56.2.

51) Vgl. BGHZ 74, 136 ff.: Vertragshändlervertrag, im Rahmen dessen einzelne Kaufverträge geschlossen worden waren, die dem EKG unterfallen; zur Abgrenzung einer Kommissionsabrede vom Kauf mit Rückgaberecht s. LG Münster in: P. SCHLECHTRIEM/U. MAGNUS, Internationale Rechtsprechung zu EKG und EAG, Baden-Baden 1987, Art. 24 EKG Nr. 4.

52) In der Fassung des Bundesgesetzes vom 5.10.1990.

53) Das EKG hatte eine entsprechende Ausnahme nur für Abzahlungskäufe vorgesehen, vgl. Art. 5 Abs. 2 EKG.

54) A. A .AUDIT (FN 11), 28.

55) Interessanterweise plädieren Autoren aus Staaten, die eine verschuldensunabhängige Produkthaftung kennen, sogar für eine ausschliessliche Anwendung des CISG in dem von ihm geregelten Bereich, d.h. bei Mangelfolgeschäden an Sachen, vgl. HONNOLD (FN 20), Art. 5 CISG § 73.

56) So sieht LOOKOFSKY (FN 26), 403, 414 f. voraus, dass das nationale Deliktsrecht das Einheitskaufrecht in starkem Masse überlappen wird.

57) Zu den besonderen Schwierigkeiten, die dieses Prinzip in Verbindung mit Art. 5 CISG den Franzosen dennoch bereitet, vgl. NIGGEMANN (FN 8), 372, 377 f.

58) Vgl. H. HONSELL, Das Übereinkommen über den internationalen Warenkauf (Wiener Kaufrecht), pläd 1990, 43 mit Hinweis auf OR 208 Abs. 3.

59) Richtlinie des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte. ABIEG Nr. L 210/29-33.

60) Vgl. D. MARTINY in: K. REBMANN/F. J. SÄCKER (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 7. 2. A.. München 1990, Art. 32 EGBGB Rn. 45; G. KEGEL. internationales Privatrecht, 6. A., München 1987, 409: a.A. H. STOLL, Internationalprivatrechtliche Fragen bei der landesrechtlichen Ergänzung des Einheitlichen Kaufrechts, in: FS für MURAD FERID, Frankfurt 1988, 495, 508 f. - Für die Schweiz vgl. Art. 148 Abs. 1 IPRG.

61) Vgl. unten E. Text nach FN 83.

62) Vgl. näher dazu KAROLLUS (FN 18), 71 f.

63) Vgl. E. BUCHER, Überblick über die Neuerungen des Wiener Kaufrechts; dessen Verhältnis zur Kaufrechtstradition und zum nationalen Recht, in: BUCHER (FN 42), 13, 35; DERSELBE, Schweizerisches Obligationenrecht - Allgemeiner Teil, 2. A., Zürich 1988, § 10/III/2, 122 f.: Es kommt nicht auf den inneren Willen des Erklärenden an, sondern vielmehr darauf, welchen Sinn seine Erklärung aus der Sicht eines (als redlich und vernünftig vorausgesetzten) Empfängers hat.

64) Dieser Grundsatz herrscht auch im schweizerischen OR und im deutschen BGB, während der französische Code Civil und das anglo-amerikanische Recht die Formfreiheit von Verträgen nicht im Grundsätzlichen verwirklichen, vgl. BUCHER, AT (FN 63), § 11i/I/1, 160 und FN 1.

65) Vgl. hierzu einerseits: U. HUBER, Der UNCITRAL-Entwurf eines Übereinkommens über internationale Warenkaufverträge, RabelsZ 43 (1979), 413, 434; B. CZERWENKA, U. DROBNIG, Diskussionsbeiträge in: SCHLECHTRIEM (FN 1), 170 f., 175 f.; andererseits: E. REHBINDER, Vertragsschluss nach UN-Kaufrecht im Vergleich zu EAG und BGB, in: SCHLECHTRIEM (FN 1), 149, 154 f.; ähnlich W. A. STOFFEL, Formation du contrat, in: Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung (Hrsg.), Wiener Übereinkommen von 1980 über den internationalen Warenkauf, Zürich 1985,55,60.

66) Vgl. BUCHER (FN 42), 36.

67) Hier ist auch die Einbruchstelle für ein weiteres umstrittenes Problem: Anzuwenden sind die Gültigkeitsvorschriften des Vertragsstatuts, also z.B. bei Schweizer Verkäufern Schweizer Recht. Kommen auch gültigkeitsrelevante Normen aus Drittstaaten - sog. Eingriffsnormen - zur Anwendung?

68) Die nationalen Formvorschriften zum Schutz von Verbrauchern in § 4 des deutschen VerbrKrG dürften dagegen hinter Art. 11 CISG zurückzutreten haben. Deshalb müsste auch eine mündliche Belehrung ausreichen, eine Widerrufsfrist in Lauf zu setzen, obwohl nationales Verbraucherschutzrecht - vgl. § 7 Abs. 2 S. 2 deutsches VerbrKrG -schriftliche Belehrung verlangen kann, die sich freilich jedenfalls aus Beweisgründen empfiehlt.

69) S. hierzu G. H. TREITEL, Unmöglichkeit, "Impracticability" und "Frustration" im anglo-amerikanischen Recht, Baden-Baden 1991.1 f. 70) So auch KAROLLUS (FN 18), 43.

71) In Frankreich ist diese Frage sogar für das nationale Recht noch nicht geklärt, vgl. NIGGEMANN (FN 8), 372, 374.

72) Vgl. F. BYDLINSKI, Das allgemeine Vertragsrecht, in: DORALT (Fn. 1), 57, 85 ff.; R. LESSIAK, UNCITRAL-Kaufrechtsabkommen und Irrtumsanfechtung, östJBl 1989, 487-496; KAROLLUS (FN 18), 41 f.

73) S. hierzu die Diskussion zum Referat P. SCHLECHTRIEM, Die Pflichten des Verkäufers und die Folgen ihrer Verletzung, insbesondere bezüglich der Beschaffenheit der Ware, in: BUCHER (FN 42), 103-136, 137 f.; STOFFEL (FN 22), 37 f. befürwortet die parallele Zulassung einer Irrtumsanfechtung wie im Schweizer nationalen Bereich, betont aber, dass ein Eigenschaftsirrtum im Schweizer Recht nur in Bezug auf eine Speziessache denkbar sei und die Fälle paralleler Rechtsbehelfe daher fast theoretisch blieben. NIGGEMANN (FN 8), 372, 375 will im Hinblick auf das französische Recht eine einheitsfreundliche Lösung dadurch erreichen, dass eine Irrtumsanfechtung zwar möglich, jedoch den Voraussetzungen der Gewährleistungsrechte des CISG unterworfen sein soll. Ähnlich für das österreichische Recht auch KAROLLUS, (FN 18), S. 41 f.

74) HONNOLD (FN 20), Art. 29 CISG §§ 204.1- 204.4, sieht das "consideration"-Erfordernis auch für andere Fälle durch zahlreiche Spezialregeln des CISG ausgeschlossen und will im übrigen aus diesem Ausschluss eine allgemeine Grundregel nach Art. 7 Abs. 2 CISG machen (§ 204.4).

75) Vgl. auch die Abwandlung des Falles bei LOOKOFSKY (FN 26), 403,412 f.

76) So meint LOOKOFSKY (PN 26), 403, 413, dass An. 29 CISG nur die Frage regele, wie der Kaufvertrag geändert werden könne, nicht aber, ob diese Änderung wirksam sei. Die Wirksamkeit richte sich vielmehr nach nationalem Recht (vgl. Art. 4 S. 2 lit. a CISG).

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