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Anwendungsvoraussetzungen und Anwendungsbereich des UN-Übereinkommens über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) — Teil 3

Prof. Dr. iur. Peter Schlechtriem

Veröffentlicht in:

Aktuelle Juristische Praxis 1992. S.339–357

S. 339–346, 347–353, 354–357

D. Lückenfüllung nach Art. 7 Abs. 2 CISG

Regelungen der Eigentumsübertragung, der Geschäftsfähigkeit, der Vertretung usw., für die weiterhin das über IPR berufene nationale Recht massgebend ist, kann man als externe und deshalb ausserhalb des Geltungsbereichs des Einheitskaufrechts liegende Sachfragen, als "externe Lücken" bezeichnen. Soweit dagegen Fragen wie z.B. Konsumentenkäufe oder der Kauf von Schiffen ausgegrenzt bleiben, spricht man von "internen Lücken". Wo, wie in den genannten Beispielen, das Gesetz die Ausgrenzung selbst vornimmt, die interne Lücke also selbst schafft, ergeben sich keine Schwierigkeiten: Gelten soll insoweit über IPR berufenes nationales Recht. Problematischer sind Fragen, die Kaufrechtsmaterie betreffen, jedoch im Übereinkommen nicht deutlich ausgegrenzt, aber auch nicht geregelt worden sind. Für diese internen Lücken schreibt Art. 7 Abs. 2 CISG vor, dass sie unter Rückgriff auf die "allgemeinen Grundsätze, die diesem Übereinkommen zugrunde liegen", zu schliessen sind. Falls solche Grundsätze nicht zu finden sind, sei wieder hilfsweise das nach den Regeln des internationalen Privatrechts berufene nationale Recht anzuwenden. Diese Vorschrift zur Lückenfüllung, die in der Funktion einem Analogiegebot entspricht 77), ist theoretisch einleuchtend, praktisch freilich schwer anzuwenden. Man muss die Schwierigkeiten m.E. auf zwei Stufen angehen: Zunächst ist zu klären, ob es sich überhaupt um "in diesem Übereinkommen geregelte Gegenstände" handelt, also um Kaufrechtsmaterie, die nicht ausdrücklich ausgegrenzt ist. Erst dann kann man sich auf die Suche nach allgemeinen Grundsätzen begeben. Lassen Sie mich drei Beispiele anführen:

a) In den Vorschriften über Willenserklärungen, insbesondere beim Vertragsschluss, finden sich keine Regeln zum Einsatz von Erklärungsmittlern. So könnte beispielsweise fraglich sein, wann die durch einen Erklärungsmittler überbrachte oder entgegengenommene Erklärung zugegangen ist. Als Beispiel mag ein vom deutschen BGH 1989 entschiedener Fall dienen, in dem streitig war, ob die einem BMW-Händler gegenüber abgegebene Offerte zum Abschluss eines Leasingvertrages, der mit einer von diesem Händler verschiedenen Leasinggesellschaft abzuschliessen war, mit Abgabe bei dem Mittelsmann BMW-Händler bereits zugegangen und deshalb unwiderruflich geworden war 78). M.E. bestimmt sich die Frage der Rechtsmacht eines Boten wie im Falle eines Vertreters nach nationalem Recht: insoweit liegt eindeutig eine externe Sachfrage und nicht eine interne Lücke vor. Gibt das nationale Recht jedoch die Auskunft, dass ein Erklärungsmittler als Empfangsbote die Rechtsmacht hatte, Erklärungen mit Wirkung gegenüber seinem Prinzipal entgegenzunehmen, dann muss die Frage des Zeitpunktes des Zugangs auf der Grundlage der in Art. 24 CISG getroffenen Regelung entschieden werden. Insoweit geht es um in diesem Übereinkommen geregelte Gegenstände. M.E. dürfte die einem nach nationalem Recht befugten - Empfangsboten gegenüber ausgesprochene Erklärung als mündliche und deshalb als sofort zugegangen zu bewerten sein. Wird ihm dagegen eine schriftliche Erklärung in die Hand gedrückt, dann geht sie dem Empfänger erst zu, wenn sie ihm persönlich oder an seiner Niederlassung oder Postanschrift oder an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort zugeleitet wird oder der Bote dort bestimmungsgemäss tätig war 79).

b) Ein weiteres Beispiel: Art. 13 CISG stellt Mitteilungen durch Telegramm oder Fernschreiben schriftlichen Erklärungen gleich. Damit soll zum einen für die wenigen Fälle, in denen das Einheitskaufrecht Schriftlichkeit voraussetzt - Beispiel Art. 29 Abs. 2 CISG - eine vereinheitlichte Sachnorm für die Schriftform geschaffen werden. Zum anderen - das war jedenfalls die Intention des deutschen Antrags, auf den Art. 13 CISG zurückgeht- sollte aber auch für den Fall eines Vertrages mit einer Partei in einem Staat, der einen Vorbehalt nach Art. 96 CISG eingelegt hat und der deshalb erforderlichen Berücksichtigung nationaler Formvorschriften sichergestellt werden, dass ihnen jedenfalls durch Telegramm oder Fernschreiben genügt werden könne. Als diese Vorschrift vorgeschlagen und beschlossen wurde, war das Telefaxverfahren noch fast unbekannt. Inzwischen nimmt es im Geschäftsverkehr einen breiten Raum ein und hat jedenfalls das Fernschreiben verdrängt. Kann man es unter Art. 13 CISG bringen? Geht man davon aus, dass die Gleichsetzung von Telex und Telegramm mit Schriftstücken deshalb gerechtfertigt war, weil diese elektronischen Medien für die Übermittlung von Erklärungen, für den Zeitpunkt ihrer Abgabe und ihres Zugangs wie vor allem für ihren Inhalt ebenso beweiskräftig sind wie ein Brief, dann spricht viel dafür, auch den Telefax im Wege der Lückenfüllung nach Art. 7 Abs. 2 CISG den aus Art. 13 CISG zu entnehmenden Grundsätzen zu unterstellen 80).

c) Ein letztes Beispiel: Sukzessive Einigungen, die eine Identifikation von Offerte und Annahme nicht zulassen, sind nicht geregelt worden; Regelungsversuche hat man aufgegeben, weil sich eine zweifelsfreie und konsensfähige Formulierung nicht finden liess 81). Zweifellos liegt eine "interne Lücke" vor. Ehe man über IPR auf nationale Vertragsschlussregeln zurückgreift - die zumeist eben-

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-falls fehlen, jedenfalls aber nicht gesetzlich ausformuliert sein dürften 82) -, sollte man auf den erkennbar den Artt. 14 ff. CISG, insbesondere Art. 18 Abs. l S. l CISG, aber auch Art. 8 Abs. 1 CISG zugrundeliegenden Grundsatz, dass Einigungswille zur Bindung genügt und aus schlüssigem Verhalten folgen kann, zurückgreifen und so zur auf CISG abgestützten Begründung eines Vertragsschlusses kommen 83).

E. Sonstige Vorschriften zur Anwendung und zum Geltungsbereich des Einheitskaufrechts

1. Die Anwendungsnormen des einheitlichen Kaufrechts bestimmen, wie eingangs vorgestellt, wo und wieweit das Einheitskaufrecht Vorrang gegenüber dem über IPR berufenen internen Sachrecht hat. Rechtsregeln für den Welthandel ergeben sich freilich nicht nur aus den jeweils durch IPR berufenen nationalen Rechten, sondern vor allem und in erster Linie aufgrund von Parteivereinbarungen. Art. 6 CISG hält deshalb am Prinzip der Parteiautonomie ausdrücklich fest. Die Parteien können nicht nur mit einer kollisionsrechtlichen Rechtswahlklausel ein nationales Kaulrecht für anwendbar erklären und damit das Einheitskaufrecht ausschliessen, sondern sie können es auch in Geltung lassen, aber einzelne seiner Bestimmungen und Wirkungen entweder durch Verweis auf nationales Recht oder durch entsprechend ausgefeilte Regelungen im Kaufvertrag modifizieren. So enthalten Bestimmungen über die Verpflichtung der Parteien im UN-Kaufrecht immer wieder Wendungen wie "ist nach Massgabe des Vertrages (...) verpflichtet", "hat Ware zu liefern, die (...) den Anforderungen des Vertrages entspricht", "haben die Parteien nichts anderes vereinbart, so gilt (...)".

Das EKG sah noch vor, dass die Parteien das Einheitskaufrecht auch stillschweigend abwählen können, Art. 3 S. 2 EKG. Das Wiener UN-Kaufrecht enthält eine entsprechende Klarstellung nicht mehr, will aber in der Sache wohl nicht anders entscheiden. Nicht nur kennt das UN-Kaufrecht die Möglichkeit, eine Erklärung durch "ein sonstiges Verhalten" zum Ausdruck zu bringen (vgl. Art. 18 Abs. 1 S. 1 CISG) und deshalb insoweit einen allgemeinen Grundsatz, sondern aus der allgemeinen Bestimmung über die Auslegung von Erklärungen und Verhalten - Art. 8 CISG - lässt sich schliessen, dass nicht nur Erklärungen, sondern auch sonstiges Verhalten einer Partei ihren Willen rechtsverbindlich zum Ausdruck bringen können.

2. Warenverkehr wird freilich nicht nur durch explizite Parteiabreden und Gesetzesnormen, sondern vor allem auch durch Handelsbräuche reguliert. Auch im Verhältnis zu Handelsbräuchen muss deshalb ein Einheitskaufrecht seinen Rang und Geltungsanspruch bestimmen. Das Haager Kaufrecht liess in Art. 9 EKG Handelsbräuchen noch grosszügig den Vortritt. Abs. 2 dieser Vorschrift sah vor, dass Bräuche auch gelten, wenn sie als sog. normative, d.h. in ihrer Geltung von einem Parteiwillen unabhängige Rechtsregeln in einem Land verbindlich sind und "vernünftige Personen" in der gleichen Lage (wie die Vertragsparteien) gewöhnlich annehmen, dass die Gebräuche auf ihren Vertrag anzuwenden seien: "Who goes to Rome, must do as those at Rome do", hat schon Ernst Rabel diese Unterwerfung unter fremde, aber erkennbare Gebräuche mit einem englischen Sprichwort gekennzeichnet 84). Solche Bräuche und die Regelung des Art. 9 Abs. 2 EKG (ebenso Art. 13 EAG) bestimmten Voraussetzungen und Bereich ihrer Anwendung autonom, so dass es nicht darauf ankam, ob das jeweilige nationale Recht durch IPR berufen war. Bei den Vorarbeiten für das UN-Kaufrecht und in Wien war die Möglichkeit, dass fremde Bräuche verbindlich sein könnten, ein erheblicher Streitpunkt. Insbesondere die damals noch sozialistischen Länder, aber auch Staaten der Dritten Welt befürchteten, mit kapitalistischen Bräuchen überfahren zu werden. Art. 9 CISG hat deshalb die Geltung von Bräuchen erheblich eingeschränkt. Zwar können die Parteien als selbstverständliche Konsequenz aus der Parteiautonomie Gebräuchen durch Vereinbarung bindende Kraft verschaffen und sind auch an Gepflogenheiten gebunden, die zwischen ihnen entstanden sind, Art. 9 Abs. 1 CISG. Ohne eine nachweisbare Vereinbarung wird eine stillschweigende Einbeziehung von Bräuchen jedoch nur angenommen, wenn sie "im internationalen Handel den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig weithin bekannt sind und von ihnen regelmässig beachtet werden"; zusätzlich müssen die Parteien diese schon in ihrer Verbindlichkeit von den genannten Kriterien abhängigen Bräuche auch noch kennen oder kennen müssen. Das Einheitskaufrecht stellt damit für die Verbindlichkeit von Gebräuchen sehr enge Voraussetzungen auf, die praktisch die Geltung von örtlichen oder regionalen Usancen, wie z.B. die Tegernseer Bräuche für den Holzhandel anders als nach EKG/EAG ausschliessen 85), Gebräuche für den internationalen Getreidehandel aber wohl unberührt lassen. Zusätzlich müssen die Parteien diese internationalen Bräuche gekannt haben oder die Möglichkeit, sie zu kennen, gehabt haben,

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da das Einheitskaufrecht als entscheidenden Geltungsgrund die bei Kenntnis oder Kenntnismöglichkeit solcher Bräuche unterstellte stillschweigende Vereinbarung sieht. Und auch dann stehen diese Bräuche noch unter dem sog. Gültigkeitsvorbehalt des Art. 4 S. 2 lit. a CISG: Sind sie aus der Sicht des von der lex fori berufenen nationalen Rechtssitten- oder verbotswidrig - was etwa bei in bestimmten internationalen Geschäftsverbindungen üblichen Schmiergeldzahlungen der Fall sein kann -. dann binden sie die Parteien nicht. Schliesslich können die Parteien ihre Geltung auch vertraglich ausschliessen 86).

3. Lassen Sie mich mit einer Norm schliessen, die ebenfalls den Geltungsanspruch des Einheitskaufrechts in Konkurrenz mit nationalem Recht zurücknimmt, freilich auf den ersten Blick nur für einen harmlosen Spezialfall. Das Einheitskaufrecht regelt als primären Rechtsbehelf der Parteien, kontinentalen Juristen selbstverständlich, den durchsetzbaren Erfüllungsanspruch. Im Common Law ist dagegen der Anspruch auf specific performance eine nur unter bestimmten Voraussetzungen von den Gerichten gewährte Ausnahme 87). Einige der Common-Law-Staaten haben deshalb auf eine Berücksichtigung dieser Eigenheit gedrängt, die in Art. 28 CISG - wie bereits in einer entsprechenden Vorbehaltsmöglichkeit im Rahmenabkommen zum EKG-Gesetz geworden ist: Auf Erfüllung ist nur zu verurteilen, wenn ein Gericht "dies auch nach seinem eigenen Recht bei gleichartigen Kaufverträgen täte, die nicht unter dieses Übereinkommen fallen." Die Vorschrift enthält eine Kollisionsnorm zugunsten des Kaulrechts des Forums, wobei man freilich allein an Gerichte in Common-Law-Staaten gedacht hat. Sie dürfen aufgrund der in Art. 28 CISG enthaltenen Verweisung auf ihr eigenes Recht prüfen, ob sie bei einem gleichartigen Kaufvertrag einen Anspruch auf Erfüllung in Natur zusprechen würden, etwa bei Sachen von commercial uniqueness wie Kunstgegenstände, oder ob sie einem solchen Anspruch nicht stattgeben würden. Fraglich ist freilich, ob die Vorschrift sich den Intentionen ihrer Urheber entsprechend auf diese Sonderfälle des Common Law beschränken lässt. Denn sie verweist Gerichte für die Frage, ob einem Anspruch auf Erfüllung stattgegeben werden kann, generell auf ihr eigenes Kaufrecht. Ich habe deshalb in einer früheren Veröffentlichung in Art. 28 CISG auch eine Lösung für den im Übereinkommen leider falsch entschiedenen Fall gesehen, dass eine Leistung objektiv unmöglich ist oder wird: Auch wenn der Verkäufer sich für den Untergang der Ware nach Art. 79 CISG entlasten kann, bleibt nach Art. 79 Abs. 5 CISG ein Erfüllungsanspruch davon unberührt. Das ist ein offenbar ungereimtes Ergebnis, das zudem dazu führen kann, dass ein Gericht auf eine unmögliche Erfüllung verurteilt und für den Fall, dass dem Urteil nicht gefolgt wird, eine gerichtliche Strafe ausspricht, die in der Sache auf Schadenersatz hinausläuft, von dessen Leistung der Verkäufer deshalb, weil er die Nichtleistung nicht zu vertreten hat, gerade befreit sein soll. Aber ich habe die Sorge, dass ich mit diesem Hinweis auf eine Lösungsmöglichkeit aus Art. 2 CISG eine Pandorabüchse geöffnet habe: Könnte nicht jetzt stets ein Gericht bei einem Anspruch auf Erfüllung zunächst sein eigenes Sachrecht befragen, ob es eine Befreiung des Schuldners vorsieht, z.B. wegen unzumutbarer Leistungserschwerung? Art. 28 CISG könnte damit zur Einheitspforte für nationales Leistungsstörungsrecht werden und die erreichte Rechtseinheit in einem weiteren Punkt gefährden 88).

Schlussbemerkung

Als Anhänger der internationalen Rechtsvereinheitlichung empfinde ich Gewissensbisse, bereits die sozusagen erste Stufe auf der Stiege, die uns zu einheitlichen Ergebnissen bei grenzüberschreitenden Warenkäufen führen soll, d.h. die Voraussetzungen der Anwendung des Einheitskaufrechts und die Abgrenzung seines Geltungsbereichs, als schwierige und problemträchtige Materie vorgestellt zu haben. Die Schwierigkeiten rühren, wie ich deutlich zu machen versucht habe, daher, dass die Rechtsvereinheitlichung von Regeln für grenzüberschreitende Warenkäufe nur einen Ausschnitt aus einem komplexen wirtschaftlichen und rechtlichen Vorgang betrifft und dass die Abgrenzung des Einheitskaufrechts vom unvereinheitlichten nationalen Recht ebenso Schwierigkeiten bereitet wie die Bewahrung seines Vorrangs in Situationen, in denen nationale Rechtsbehelfe, die Ungültigkeit des Vertrages bewirken können, konkurrierend eingreifen. Es fällt schwer, gerade für die Konkurrenzfrage, die ich anhand der Anfechtungsproblematik und des "good faith"-Efordernisses für Vertragsänderungen aufzuzeigen versucht habe, plausible und praktikable Massstäbe zu finden. Wie das Beispiel durch sittenwidrige Nötigung erreichter Vertragsänderungen zeigt, muss es auch insoweit eine Grenze für den Geltungsanspruch des Einheitskaufrechts geben, während ich in der Frage der Irrtumsanfechtung dazu neige, nationales Recht zurücktreten zu lassen. Ich glaube den Unterschied damit rechtfertigen zu können, dass im Falle wegen Sittenwidrigkeit ungültiger Vereinbarungen, die für Art. 4 S. 2 lit. a CISG und seinen Vorläufer im EKG eine erhebliche Bedeutung hatten, entscheidend ist, dass insoweit eine Grenze erreicht wird, die, ähnlich wie im IPR der ordre public, den Richter von der Befolgung einer - im Falle des IPR durch Verweisung auf ein fremdes Recht, im Falle des Art. 29 CISG durch Verweisung auf Parteivereinbarung -

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angeordneten Rechtsfolge entbindet, wenn sie grundlegende Überzeugungen der internen Rechtsordnung eines Staates verletzt. Wo es um sittliche und moralische Vorstellungen geht, ist ohnehin keine einheitliche Überzeugung zu erreichen und zu erwarten. Wo dagegen - wie in der Anfechtungsfrage - ein eher technisches Problem zu klären ist, sollte man die Rechtseinheit nicht ohne Not aufs Spiel setzen. Denn zu den Bestimmungen, die der Rechtsanwender in Vertragsstaaten zu beachten hat, gehört auch Art. 7 Abs. 1 CISG 89). Er gebietet, "bei der Auslegung dieses Übereinkommens (...) seine(n) internationale(n) Charakter und die Notwendigkeit zu berücksichtigen, seine einheitliche Anwendung (...) zu fördern". Das gilt auch und gerade bei den Voraussetzungen seiner Anwendung und bei der Bestimmung seines Geltungsbereichs.

Ende

Fussnoten

77) Vgl. hierzu HELLNER, Gap-filling by Analogy, in: Festskrift till LARS HJERNER, Stockholm 1990, 219, 220: AUDIT (FN 11), 50; KAROLLUS (FN 18), 16 f. versteht es als Gebot sowohl einer Gesamt- als auch einer Einzelanalogie.

78) BGH NJW-RR 1989, 757 ff.

79) Vgl. auch hierzu den deutschen Fall BGH NJW-RR 1989, 757, 758 f.

80) Mit den gleichen Argumenten auch HONNOLD (FN 20), Art. 13 CISG §130

81) Vgl. v. CAEMMERER/SCHLECHTRIEM (FN 13), Vor Artt. 14-24 CISG Rn. 4.

82) Ausnahme aber z.B. Sec. 2-204 (2) und Sec. 2-207 (3) UCC.

83) So auch HONNOLD (FN 20), Vor Artt. 14-24 CISG § 132.1.

84) E. RABEL, Das Recht des Warenkaufs, Bd. 1, Nachdruck, Berlin 1957, 63. Zum Vorrang s. auch Art. 9 Abs. 2 S. 2 EKG: "Stehen die Gebräuche im Widerspruch zu diesem Gesetz, so haben sie den Vorrang, wenn nicht das Gegenteil dem Willen der Parteien entspricht."

85) Anders jedoch bei Bräuchen lokalen Ursprungs, die international bekannt sind und beachtet werden, vgl. HONNOLD (PN 20), Art. 9 CISG § 120.1.

86) Vgl. Art. 9 Abs. 2 CISG: "Haben die Parteien nichts anderes vereinbart,...".

87) Vgl. hierzu M. SCHUTZ, Neuere Ansichten zur "Specific Performance" im amerikanischen Recht, JA 1991, 264 ff.

88) Daher zu Recht einschränkend auf die prozessuale Durchsetzbarkeit des Erfüllungsanspruchs KAROLLUS (FN 18), 140.

89) Zur Entstehungsgeschichte des Art. 7 Abs. 1 CISG s. O. HARTWIEG, Die "autonome Beweislast" der Wiener Konvention der Vereinten Nationen über den internationalen Warenkauf von 1980 (CISG), in: FENGE u.a. (Hrsg.), Griechisches Recht im Wandel, Bd. 2, Baden-Baden 1992.

Ende

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