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Das VN-Übereinkommen über internationale Kaufverträge — Teil 1

Verfasser | Prof. Dr. Rolf Herber

Quelle: Recht der internationalen Wirtschaft. 1980 (9). S. 601–608.

Jahr: 1980.

Am 11.4.1980 hat eine vom Generalsekretär der Vereinten Nationen nach Wien einberufene Diplomatische Konferenz nach fünfwöchigen Verhandlungen ein neues Übereinkommen über internationale Kaufverträge beschlossen. Das Übereinkommen soll an die Stelle der Haager Kaufrechtsübereinkommen von 1964 [1] treten, die bisher nur von wenigen Staaten ratifiziert worden sind. Damit besteht jetzt endlich die Hoffnung, die internationale Rechtsvereinheitlichung auf dem für den Außenhandel wichtigen Gebiet des Kaufrechts über den Engpaß hinwegzubringen, in den sie nach der Haager Konferenz von 1964 geraten war.

I. Die Vorgeschichte der Wiener Kaufrechtskonferenz

Die Bemühungen zur Vereinheitlichung des Kaufrechts gehen in die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen zurück. Ihr Verlauf ist in der Literatur schon mehrfach eingehend dargestellt worden [2], so daß er hier nur mit einigen Stichworten in Erinnerung gerufen zu werden braucht:

1930 nahm das Römische Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts (UNIDROIT) Vorarbeiten für ein Kaufrechtsübereinkommen auf, die von dem deutschen Rechtsgelehrten Ernst Rabel maßgebend beeinflußt wurden. Nach mehreren Vorentwürfen (1935, 1939, 1956, 1963) und der Unterbrechung der Arbeiten durch den Zweiten Weltkrieg kam es 1964 zu einer Staatenkonferenz in Den Haag. Das Ergebnis waren die beiden Haager Kaufrechtsübereinkommen vom 1.7.1964, durch welche zwei von der Konferenz beschlossene internationale Einheitsgesetze eingeführt werden sollten: Das Einheitliche Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen (EKG) und das Einheitliche Gesetz über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen über bewegliche Sachen (E AG). Die Hoffnungen, die sich mit diesen Übereinkommen für die weltweite Vereinheitlichung des internationalen Kaufrechts verbanden, erfüllten sich jedoch nicht. Die Gründe hierfür lagen nur zum sehr geringen Teil in sachlicher Kritik an den Übereinkommensregeln, die zwar erhoben wurde, sich jedoch auf verhältnismäßig geringfügige Details beschränkte und im wesentlichen nur rechtsdogmatischer Natur war. Entscheidend war, daß der Kreis der an der Konferenz teilnehmenden Staaten zu klein (28) und zu sehr auf Europa — woher zudem ja auch die wissenschaftlichen Vorarbeiten stammten — beschränkt war, als daß man ernsthaft die Übernahme des Ergebnisses durch die viel größere Zahl der auf der Konferenz nicht vertretenen Staaten hätte erwarten können. Daß die Haager Konferenz sich dieses Mangels nicht hinreichend bewußt war, ist wohl allein damit zu erklären, daß die Europäer damals erst langsam begannen, die grundlegenden Veränderungen in der internationalen Zusammenarbeit, insbesondere durch die Mitwirkung der Entwicklungsländer (welche heute auch bei rechtsvereinheitlichenden Privatrechtskonferenzen regelmäßig die Mehrheit stellen), wahrzunehmen.

Es lag angesichts der großen Bedeutung des Kaufrechts für den internationalen Handel deshalb nahe, daß sich die im Jahre 1967 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen eingesetzte Kommission für internationales Handelsrecht (UNITED NATIONS COMMISSION ON INTERNATIONAL TRADE LAW — UNCITRAL) [3] sogleich mit der Frage befaßte, wie die Haager Kaufrechtsübereinkommen für alle Staaten der Welt annehmbar gemacht werden könnten. Sie setzte eine Arbeitsgruppe ein, die nunmehr unter — den Arbeitsgrundsätzen dieser Kommission entsprechender — repräsentativer Beteiligung von Vertretern aus allen Teilen der Welt die Übereinkommen eingehend überprüfte. Die Arbeiten, die sich wegen der in dem größeren Kreise weit weniger einheitlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Ausgangsvorstellungen weit schwieriger darstellten als die Vorbereitung der Haager Übereinkommen im engeren europäischen Rahmen, führten zu einem neuen Entwurf, der von UNCITRAL selbst in deren Sitzungen 1977 und 1978 konferenzreif fertiggestellt werden konnte [4]. Im Verlaufe dieser sehr gründlichen Arbeiten wurden mehrfach alle Staaten und die betroffene Wirtschaft konsultiert.

Das Haager Kaufrecht wurde mit dem Fortschreiten dieser Arbeiten naturgemäß immer weniger attraktiv. Zwar traten beide Übereinkommen im August 1972 in Kraft und gelten auch für die Bundesrepublik Deutschland seit dem 16.4.1974 [5]. Der Kreis der Vertragsstaaten blieb jedoch auf Großbritannien (mit einem Vorbehalt, der praktisch der Nicht-Ratifizierung gleichkommt), San Marino, Belgien, Israel (ohne Abschlußübereinkommen), die Niederlande, Italien, die Bundesrepublik Deutschland, Luxemburg und Gambia beschränkt [6]. Daß die Übereinkommen überhaupt in Kraft gesetzt wurden, beruht wesentlich auf einem Beschluß der (alten sechs) Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, die Übereinkommen gemeinsam in Kraft zu setzen, um damit zugleich einheitliches Kaufrecht innerhalb der EG zu schaffen. Auch dieses begrenzte Ziel hat die Inkraftsetzung des Übereinkommens jedoch nur zum Teil erreichen können. Sobald sich herausstellte, daß die Arbeiten bei UNCITRAL schneller und erfolgreicher abliefen, als die europäischen Staaten im Hinblick auf die langwierige Vorbereitung der Haager Konferenz und die weit größeren Hindernisse bei weltweiter Beratung vorhergesehen hatten, stimmte das französische Parlament der Ratifizierung nicht mehr zu. Auch die neuen EG-Staaten Dänemark und Irland verzichteten auf die Ratifikation, wobei Dänemark vor allem auch durch die Rücksicht auf die Einheit des skandinavischen Kaufrechts gehindert wurde [7]. So gelten die Übereinkommen heute in ihrem Schwerpunkt nur für einen Teil der EG-Staaten, wobei der wichtigste Außenhandelspartner der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, fehlt. Eine Aussicht auf ihre Annahme durch weitere Länder besteht kaum noch.

Es sei schon hier erwähnt, daß bereits der Vorentwurf für die Wiener Konferenz sowohl von der Wirtschaft als auch von der Wissenschaft sehr positiv aufgenommen worden ist [8]. Es gelang in den langwierigen Arbeiten in UNCITRAL, die Grundgedanken des Haager Kaufrechts weltweit durchzusetzen und gleichzeitig in klarerer und übersichtlicherer Form niederzulegen. Natürlich sind bei dem größeren Kreis von Diskussionsteilnehmern auch Änderungen eingetreten, die aus deutscher Sicht besser vermieden worden wären. Doch es konnte bei der geschilderten Ausgangslage nicht erwartet werden, daß die Haager Kaufrechtsübereinkommen unverändert bleiben würden. Daß sie schon im Vorentwurf so außerordentlich weitgehend Berücksichtigung fanden, war ein bei Beginn der Arbeiten kaum zu erhoffender Erfolg der europäischen Rechtstradition.

II. Die Wiener Konferenz

An der Wiener Kaufrechtskonferenz haben 62 Staaten aus allen Teilen der Welt teilgenommen. Die Beteiligung war damit zwar geringer als auf den beiden vorhergehenden, von UNCITRAL vorbereiteten rechtsvereinheitlichenden Konferenzen [9]. Dies dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, daß die Zahl diplomatischer Vertretungen in Wien noch geringer ist als in New York oder Genf und daß viele Staaten hinreichend mit der Materie vertraute Sachverständige nicht hatten oder nicht für fünf Wochen entsenden konnten. Gleichwohl dürfte hieraus nicht die Gefahr einer erneuten zu geringen Annahmebereitschaft erwachsen, weil dieses Mal die Zusammensetzung der Konferenzstaaten eine grundlegend andere als in Den Haag war und weil darüber hinaus alle nicht vertretenen Staaten vor der Konferenz hinreichend Gelegenheit zu Stellungnahmen hatten.

Präsident der Konferenz war der ungarische Professor Eörsi. Vorsitzender des Ersten Gesamtausschusses, in welchem die materiellen Fragen des Einheitlichen Kaufrechts behandelt wurden, war Professor Loewe (Österreich), Vorsitzender des Zweiten Gesamtausschusses, der sich mit dem Abschlußteil, den Schlußklauseln und einem Protokoll zum Verjährungsübereinkommen von 1974 [10] befaßte, war Professor Mantilla-Molina (Mexiko). Der Redaktionsausschuß wurde von Herrn Khoo (Singapur) geleitet.

Die Verhandlungen auf der Konferenz waren außergewöhnlich sachlich und weitgehend frei von politischen Einflüssen. Bis auf wenige Punkte — etwa die Rügefrist des Käufers — wurde ohne Blockbildung zwischen den regionalen Gruppen (wie sie bei Konferenzen der Welthandelskonferenz üblich ist) verhandelt. Von den zahlreichen Änderungsanträgen wurde die weitaus größte Zahl abgelehnt. Der Vorentwurf erfuhr im Ergebnis nur geringfügige Änderungen. Als bedeutsame Verbesserungen auch noch gegenüber diesem seien schon hier die Wiedereinführung einer allgemeinen Auslegungsregel, eine Verbesserung der Definition der „wesentlichen Vertragsverletzung“ und eine Klarstellung des Rechts des Käufers auf Nachbesserung erwähnt. Eine gewisse Verschlechterung ist dagegen durch eine noch darzustellende Aufweichung der Pflicht zur sofortigen Rüge mangelhafter Lieferung eingetreten, wobei jedoch die absolute Rügefrist von zwei Jahren erhalten blieb. Nicht vermieden werden konnte ferner die Annahme einer Vorbehaltsmöglichkeit zur Einschränkung des von der deutschen Delegation bekämpften, immer noch zu weiten Anwendungsbereiches des Übereinkommens.

In der Schlußabstimmung haben sich 42 Staaten für das Übereinkommen ausgesprochen. 10 Staaten [11] enthielten sich der Stimme; diesen Stimmenthaltungen kommt nach den Erklärungen auf der Konferenz jedoch zumeist weniger die Bedeutung einer Ablehnung als die einer abwartenden Haltung zu.

Das Übereinkommen liegt bis zum 30.9.1981 zur Zeichnung auf. Es wurde bereits in Wien von Chile, Ghana, Jugoslawien, Österreich, Ungarn und Singapur gezeichnet. Die deutsche Delegation hat das Übereinkommen auf der Konferenz noch nicht unterzeichnet, weil sie zunächst den Versuch unternehmen wollte, eine gemeinsame Unterzeichnung durch alle Mitgliedstaaten der EG anzuregen. Ein erster Meinungsaustausch über diesen Vorschlag hat am 27.6.1980 in Brüssel stattgefunden. Auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen Haltung der EG-Staaten wird noch kurz einzugehen sein.

III. Wesentlicher Inhalt des Übereinkommens

Es ist im Rahmen dieser Darstellung nicht möglich, das Übereinkommen in seinen Einzelheiten — und unter Hervorhebung aller Unterschiede gegenüber dem Haager Kaufrecht und dem UNCITRAL — Vorentwurf — darzustellen [12]. Ich möchte jedoch den Versuch machen, Struktur und Grundgedanken des Übereinkommens zu skizzieren und dabei auf einige besonders wichtige Punkte auch etwas näher einzugehen.

1. Aufbau des Übereinkommens

Das Übereinkommen faßt die Vorschriften über den Abschluß von Kaufverträgen und über das materielle Kaufrecht in einem einheitlichen völkerrechtlichen Instrument zusammen, verweist sie jedoch in unterschiedliche Teile, die gesondert ratifiziert werden können.

Dementsprechend hat das Übereinkommen vier Teilet

Anwendungsbereich und allgemeine Bestimmungen.

Abschluß von Kaufverträgen,

Kaufrecht,

Schlußbestimmungen.

Der weitaus umfangreichste Teil ist der dritte. Hier sind auch die meisten Vereinfachungen und Umstellungen gegenüber dem Haager Kaufrecht mit dem Ziel größerer Praktikabilität und besserer Lesbarkeit vorgenommen worden.

Insgesamt enthält das Übereinkommen (ohne diplomatische Schlußbestimmungen) 88 Artikel (gegenüber 114 der beiden Haager Einheitsgesetze).

Der Vorteil der Zusammenfassung des Abschlußteils und des materiellen Teils in einem Übereinkommen liegt vor allem darin, daß damit die Einheitlichkeit der Vorschriften über den Geltungsbereich sichergestellt werden konnte, wenngleich natürlich im Interesse der Annehmbarkeit des vereinheitlichten Rechts den Vertragsstaaten das Recht zugestanden werden mußte, nur den einen oder den anderen Teil zu akzeptieren. Es zeichnet sich schon jetzt ab, daß die skandinavischen Staaten den Abschlußteil nicht übernehmen werden.

Am Rande sei erwähnt, daß der neue einheitliche Geltungsbereich durch ein neben dem Übereinkommen von der Konferenz beschlossenes Protokoll zur Änderung des Verjährungsübereinkommens von 1974 [13], welches bisher nicht in Kraft getreten ist, auch auf das letztere erstreckt wurde. Damit gelten für alle bisher von der Rechtsvereinheitlichung erfaßten Kaufrechtsregeln grundsätzlich die gleichen Bestimmungen über den Anwendungsbereich.

2. Anwendungsbereich und allgemeine Bestimmungen (Art. 1 bis 13)

Die Umschreibung des räumlichen Anwendungsbereichs ist gegenüber dem Haager Recht erheblich vereinfacht worden. Grundsätzlich wird nur noch darauf abgestellt,, daß die Vertragsparteien ihren Wohnsitz (oder Aufenthalt) in verschiedenen Vertragsstaaten haben und daß dies bei Vertragsabschluß für die Partner zumindest erkennbar war (Art. 1).

Das Übereinkommen gilt — wie das Haager Recht — nicht für bestimmte ausdrücklich erwähnte Vertragstypen wie etwa den Kauf von Aktien, Schiffen, Luftfahrzeugen und Elektrizität. Neu ist die Ausnahme für Käufe zum persönlichen Gebrauch (die nicht gilt, wenn dieser Zweck für den Verkäufer nicht erkennbar war). Sie beschränkt das Übereinkommen praktisch wieder auf Handelskäufe und vermeidet damit insbesondere Kollisionen mit nationalen Verbraucherschutzgesetzen, die nach Art. 5 Abs. 2 EKG nicht gelöst sind.

Ebenfalls neu gegenüber dem EKG ist Art. 5, wonach das Übereinkommen nicht für Personenschäden gilt. Diese Schäden sind in vielen Ländern Gegenstand besonderer Gesetzgebung über die Produkthaftung, welche man zwar — soweit sie, wie in der Bundesrepublik Deutschland, deliktsrechtlich konstruiert ist — ohne weiteres als Vorbehalten hätte ansehen können, die jedoch in manchen Ländern — etwa in Frankreich — als vertraglicher Anspruch gesehen wird.

Wie das EKG (Art. 4) befaßt sich auch das VN-Überein-kommen nicht mit der Gültigkeit von Verträgen und Gebräuchen sowie mit dem Eigentumsübergang. Es schließt ebenfalls Werklieferungsverträge grundsätzlich ein, enthält jedoch eine ausdrückliche Ausnahme für Verträge, die überwiegend eine Arbeitsleistung zum Gegenstand haben.

Eine bedauerliche Ausdehnung des grundsätzlich auf das Verhältnis zwischen Vertragsstaaten beschränkten räumlichen Geltungsbereichs enthält Art. 1 Buchst, b. Danach gilt das Übereinkommen auch dann, wenn das anwendbare internationale Privatrecht auf das Recht eines Vertragsstaates verweist. Es wird zwar in aller Regel sachdienlich sein, daß ein Staat, der das Übereinkommen ratifiziert, es auf alle internationalen Kaufverträge anwendet, ohne nach Vertragsstaaten und Nichtvertragsstaaten zu unterscheiden. Er sollte aber hierzu nicht völkerrechtlich verpflichtet sein [14], weil dem Nichtvertragsstaat eine entsprechende Pflicht nicht auferlegt werden kann. Die deutsche Delegation konnte sich mit ihren Bedenken nicht durchsetzen. Die Entscheidung für den weiten Anwendungsbereich hatte dann die — befürchtete — Folge, daß zu dieser Regel eine Vorbehaltsmöglichkeit15 eingeräumt wurde, die den Geltungsbereich unnötig kompliziert; er bleibt jedoch gleichwohl deutlich einfacher als nach dem Haager Recht.

Die britische Delegation trat mit Nachdruck, jedoch ohne Erfolg für die Wiederholung des Vorbehalts nach Art. IV des Übereinkommens zum EKG ein, wonach das Übereinkommen nur bei ausdrücklicher Vereinbarung durch die Vertragsparteien angewendet zu werden braucht. Die große Mehrzahl der Konferenzstaaten war der Auffassung, daß der Vorrang abweichender Vereinbarungen und Gebräuche genügen müsse.

Das Übereinkommen ist ebenso dispositiv wie das Haager Kaufrecht. Seine Regeln können ganz oder teilweise ausdrücklich oder stillschweigend abbedungen werden (Art. 6). Etwas eingeschränkt ist allerdings der Vorrang der Gebräuche (Art. 9: Außer bei ausdrücklicher Vereinbarung sind sie — enger als nach dem Haager Kaufrecht — nur anzuwenden, wenn sie im internationalen Handel weithin bekannt sind und in der betreffenden Relation regelmäßig angewendet werden. Der Einschränkung dürfte keine allzugroße praktische Bedeutung zukommen; sie spiegelt die Furcht der Entwicklungsländer davor wider, mit Bräuchen zwischen Industriestaaten konfrontiert zu werden, die bei ihnen nicht bekannt sind.

Der Vertrag ist auch künftig grundsätzlich formfrei. Doch kann jeder Vertragsstaat den Vorbehalt erklären, daß er für den Abschluß, die Änderung und die Aufhebung von Verträgen mit seinen Angehörigen die Schriftform verlangt; für diesen Fall ist klargestellt, daß Telegramm und Fernschreiben gleichstehen. Es ist damit zu rechnen, daß die Ostblockstaaten — jedenfalls die UdSSR — von diesem Vorbehalt Gebrauch machen werden.

Nicht mehr in gleicher Ausschließlichkeit ist die Regel des Art. 17 EKG aufgenommen worden, wonach die Lückenfüllung ohne Rückgriff auf nationales Recht aus den allgemeinen Grundsätzen des Übereinkommens zu geschehen hat. Dafür ist — in Anlehnung an die Übung in anderen UNCITRAL-Übereinkommen — ausdrücklich auf die Notwendigkeit hingewiesen, auf den Zweck internationaler Rechtsangleichung bei der Auslegung zu achten (Art. 7).

3. Abschluß von Kaufverträgen (Art. 14 bis 24)

Der Teil II über den Abschluß von Kaufverträgen hat auf der Konferenz gegenüber dem Vorentwurf keine wesentlichen Änderungen erfahren.

Wie das Haager Kaufrecht, so definiert auch das VN-Übereinkommen das Angebot; es fordert, daß dieses bestimmt genug ist und die Bindungswirkung des Anbietenden zum Ausdruck bringt (Art. 14). Über das EAG hinaus wird für die Bestimmtheit ausdrücklich gefordert, daß der Kaufgegenstand angegeben und der Preis vereinbart ist oder daß Menge und Preis sich nach den Bestimmungen des Vertrages ermitteln lassen. Diese Ergänzung hat vor und auf der Konferenz zu Meinungsverschiedenheiten geführt, insbesondere in ihrem Verhältnis zu Art. 55, nach welchem beim Mangel einer Vereinbarung über den Preis der allgemein in Rechnung gestellte Preis zu zahlen ist. Verschiedene Klarstellungsanträge wurden von einer Arbeitsgruppe aufgegriffen, jedoch von der Konferenz abgelehnt. Es bleibt deshalb eine gewisse Unklarheit der Auslegung. Im Ergebnis wird man aber Huber [16] zu folgen haben, der mit Recht darauf hinweist, daß der Parteiwille letztlich zu entscheiden hat, ob eine Bindung auch ohne ausdrückliche Preisvereinbarung gewollt war.

Wie nach EAG wird die Annahme mit Zugang beim Empfänger wirksam. Sie kann — auch wenn sie unwiderruflich ist — stets zurückgenommen werden, wenn die Rücknahme dem Empfänger zugleich mit dem Angebot zugeht.

Ein Zentralpunkt der Meinungsverschiedenheiten war — wegen der unterschiedlichen Ausgangspositionen des anglo-amerikanischen Rechts und des kontinentalen Rechts — auf der Wiener Konferenz ebenso wie schon auf der Haager Konferenz die Bindungswirkung des Angebots. Das VN-Übereinkommen ist hier klarer als das EAG. Es geht zwar, wie letzteres, von der grundsätzlichen Widerruflichkeit des Angebots (vor Absendung der Annahme) aus, enthält jedoch klarere Ausnahmen von diesem Grundsatz, nämlich die Fälle, in denen

sich aus dem Angebot — durch Festlegung einer Annahmefrist oder auf andere Weise — ergibt, daß es unwiderruflich ist, oder

der Empfänger sich vernünftigerweise auf die Unwiderruflichkeit verlassen konnte und in diesem Bewußtsein Dispositionen getroffen hat.

Das Angebot verliert mit der Ablehnung seine Wirkung.

Die Annahme wird mit Zugang beim Anbietenden wirksam. Sie muß — sofern nicht eine Frist im Angebot bestimmt ist — innerhalb vernüftiger Zeit erklärt werden, die insbesondere nach der Schnelligkeit der zur Verfügung stehenden Übermittlungswege zu bemessen ist. Ein mündliches Angebot ist regelmäßig sofort anzunehmen. Die Annahme kann — sofern Vertrag oder Bräuche dies zulassen — auch konkludent, namentlich durch Versendung der Güter oder Zahlung des Preises, geschehen. Schweigen oder Untätigkeit als solche können nach einer jetzt ausdrücklichen Klarstellung (Art. 18 Abs. 1 Satz 2) nicht als Annahme angesehen werden. Zum Vorentwurf wurde als zweifelhaft angesehen, ob hiernach die deutsche Rechtsprechung zum sog. kaufmännischen Bestätigungsschreiben beibehalten werden kann [17]. Dies dürfte zu bejahen sein, soweit man diese Rechtsprechung als einen in dem entsprechenden Handel weithin bekannten Handelsbrauch ansehen kann, da solche Bräuche nach Art. 9 Abs. 2 auch für den Abschluß des Vertrages gelten.

Eine modifizierte Annahme gilt als Ablehnung, verbunden mit einem neuen Angebot.

Wie schon nach Art. 7 EAG, so bringt auch nach Art. 19 Abs. 2 des VN-Übereinkommens eine modifizierte Annahme den Vertrag zustande, sofern, sie von den Bedingungen des Angebots nicht wesentlich abweicht; der Anbietende kann allerdings in diesem Falle mündlich oder schriftlich widersprechen. Über das EAG hinaus gibt das VN-Übereinkommen eine Auslegungshilfe dahin, daß unterschiedliche Vorstellungen über den Preis, die Zahlungsweise, die Qualität oder Mängel der Güter, den Lieferort, den Umfang der Haftung oder über die Streitschlichtung regelmäßig als wesentliche Änderungen anzusehen sind.

Nicht geregelt ist, trotz eines Versuchs Belgiens auf der Konferenz, die Rechtslage bei einander widersprechenden allgemeinen Geschäftsbedingungen. Hier muß nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen verfahren werden. Das Problem ist auch im deutschen Recht ungelöst. Der Parteiwille muß hierbei im Einzelfall besonders sorgfältig berücksichtigt werden, wenn man vermeiden will, daß wegen Dissenses gesetzliche Dispositivbestimmungen zur Anwendung kommen, welche beide Parteien nicht gewollt haben.

Teil II enthält schließlich Bestimmungen über die Bemessung der Annahmefrist im einzelnen, die mangels besonderer Parteivereinbarung zur Klarheit der Rechtslage beitragen.

Wie nach Art. 9 EAG kann auch eine verspätete Annahme den Vertrag noch zustande bringen, wenn der Anbietende diesen Willen dem Annehmenden alsbald erklärt. Ergibt sich aus dem verspätet eingegangenen Angebot, daß es rechtzeitig abgesandt worden ist, so kommt der Vertrag ohne weiteres zustande, sofern nicht der Annehmende eine gegenteilige Erklärung abgibt (Art. 21).

Wie das Angebot, so kann auch die Annahme widerrufen werden, sofern der Widerruf mit der Annahme selbst dem Anbietenden zugeht.

Der Vertrag kommt durch Annahme und Angebot zustande.

Der Zugang der Vertragserklärung, auf den regelmäßig abgestellt ist, ist in Übereinstimmung mit dem deutschen Recht ausdrücklich dahin definiert, daß die Erklärung dem Empfänger persönlich oder an seinem Geschäftsoder Wohnsitz mündlich abgegeben oder schriftlich ausgeliefert sein muß (Art. 24).

Fussnoten

BGBl 1973 II S. 885, 919.

Text ↑

Vgl. etwa Dölle in der Einleitung zu dem von ihm herausgegebenen Kommentar zum Einheitlichen Kaufrecht, 1976; auch Riese, RabelsZ 1957 8. 16 ff., und RabelsZ 1965 8. 1 ff.; von Caemmerer, RabelsZ 1965 S. 101 ff.

Text ↑

Zu dieser Kommission und ihrer fortschreitenden Arbeit am Kaufrecht vgl. meine Berichte RIW/AWD 1974, S. 577 ff.; 1976 8. 125 ff.; 1977 8. 314 ff. und 1980 S. 81 ff.

Text ↑

Der Entwurf ist abgedruckt in RabelsZ 1979 S. 528 ff.

Text ↑

Vgl Bekanntmachungen BGBl 1974 II 8. 146, 148.

Text ↑

Vgl. Bekanntmachungen BGBl 1974 II S. 146, 148, 1122, 1123; 1979 II S. 646, 647. Israel hat kürzlich auch das Abschlußübereinkommen ratifiziert, welches am 30.11.1980 danach auch für dieses Land in Kraft treten wird; die Gründe für diese Ratifikation, noch nach der Wiener Konferenz sind mir nicht bekannt.

Text ↑

Schweden und Norwegen gehörten zu den wichtigsten Teilnehmerstaaten der Haager Konferenz von 1964, die trotz aktiver Mitarbeit das Ergebnis ablehnten.

Text ↑

Vgl. insbesondere die gründliche Analyse von Huber, RabelsZ 1979 S 413 ff., und die Würdigung von Magnus, ZRP 1978 8.129 ff- Positiv war auch das Echo der deutschen Wirtschaft, wenn man davon absieht, daß diese für eine erneute Rechtsänderung wenig Sympathie haben kann. International war die Einschätzung vor der Konferenz ähnlich; dies ergibt sich — außer aus dem Verlauf der Verhandlungen — insbesondere aus einem Kolloquium, das die International Association of Legal Science im August 1979 in Potsdam durchführte (die Arbeitspapiere sind abgedruckt in „Problems of Unification of International Sales Law“, Oceana Publications Inc., New York, 1980).

Text ↑

An der Hamburger Konferenz über die Beförderung von Gütern auf See (1978) nahmen 78 Staaten aktiv teil; selbst die weniger spektakuläre und bedeutende Konferenz über die Verjährung beim internationalen Warenkauf (New York 1974) hatte 66 Teilnehmerstaaten.

Text ↑

Siehe Fn. 13.

Text ↑

Burma, China, Irak, Kenia, Kolumbien, Panama, Peru, Thailand, Türkei und Zaire.

Text ↑

Hierfür ist auf den sorgfältigen Vergleich von Huber, RabelsZ 1979 8. 413 ff., zu verweisen; diese Würdigung bleibt angesichts der verhältnismäßig wenigen Änderungen, die der Entwurf auf der Konferenz erfahren hat, auch künftig von großem Wert.

Text ↑

Text dieses Übereinkommens vgl. RabelsZ 1975 S. 343 ff.; dazu den Bericht von Landfermarm, RabelsZ 1975 S. 253 ff. Auf das Protokoll kann hier im einzelnen nicht eingegangen werden. Es dürfte nicht damit zu rechnen sein, daß die EG-Staaten in näherer Zukunft das Verjährungsübereinkommen ratifizieren.

Text ↑

Zweifel dahin äußern auch Huber, RabelsZ 1979 S. 425, und Magnus, ZRP 1978 S. 131; vgl. auch RIW/AWD1977 S. 317 f. Die Richtigkeit dieser Bedenken hat sich leider durch den weiteren Verlauf der Konferenz bestätigt (vgl. Fn. 15).

Text ↑

Auf Antrag der CSSR; die deutsche Delegation hat sich trotz ihrer Bedenken gegen den weiten Geltungsbereich — nach dessen Annahme jedoch erfolglos — gegen die Zulassung des Vorbehalts ausgesprochen.

Text ↑

RabelsZ 1979 S. 439.

Text ↑

Vgl. etwa Huber, RabelsZ 1979 S. 447 ff. Eine Klarstellung im Übereinkommen konnte für diese Besonderheit nicht in Betracht kommen.

Text ↑

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