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Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980 — Teil 5

Dr. Beate Czerwenka

Veröffentlicht in:

Czerwenka, Beate: Rechtsanwendungsprobleme im internationalen Kaufrecht. Berlin 1998. S.120–181

S. 120–127, 128–137, 138–155, 155–174, 174–181

2. Gebräuche und Gepflogenheiten

Neben dem individuellen Parteiwillen (Art. 6 CISG) sind auch die Gebräuche und Gepflogenheiten bei einer Anwendung des Einheitlichen Kaufrechts zu beachten. Dies gilt vor allem für die Auslegung von Willenserklärungen, für die Frage, inwieweit ein Vertragsschluß zustandegekommen ist, für die Festlegung der Verpflichtungen des Verkäufers bei der Beförderung der Ware sowie für die Bestimmung ihrer Vertragsmäßigkeit (vgl. Art. 8 Abs. 3, Art. 18 Abs. 3, Art. 32 Abs. 2 und 35 Abs. 2 CISG). Unter welchen Voraussetzungen die Gebräuche Geltung erlangen, bestimmt Art. 9 CISG. (860) Dieser Vorschrift zufolge sind die Parteien an Gebräuche oder Gepflogenheiten gebunden, wenn sie sich mit ihnen einverstanden erklärt haben bzw. wenn diese zwischen ihnen entstanden sind (Art. 9 Abs. 1 CISG) oder wenn die Parteien sie kannten oder kennen mußten und sie im internationalen Handel den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig weithin bekannt sind und von ihnen regelmäßig beachtet werden (Art. 9 Abs. 2 CISG).

a) Begriffsbestimmung

Anders als Art. 13 EAG enthält die CISG keine Definition des Begriffs „Gebräuche“. Im Hinblick auf die Umschreibung der Geltungsvoraussetzungen für die Gebräuche in Art. 9 Abs. 2 CISG verzichtete man darauf, die von der Working Group in Art. 6 des Entwurfs eines Abschlußübereinkommens vorgeschlagene Definition von Gebräuchen (861) bei der Zusammenlegung dieses Entwurfs mit dem Wiener Entwurf beizubehalten. (862) Daraus sollte jedoch nicht geschlossen werden, daß Gebräuche im Sinne des U.N.-Kaufübereinkommens nur solche sind, die den Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 CISG entsprechen. Ginge man von diesem Begriffsverständnis aus, so würde Art. 9 Abs. 1 CISG jede eigenständige Bedeutung verlieren. Dies entspricht jedoch nicht den

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Vorstellungen der Verfasser des U.N.-Kaufübereinkommens. Beabsichtigt war, unter bestimmten Voraussetzungen schärfere Maßstäbe für eine Bindungswirkung der Gebräuche zu normieren; diesem Bestreben soll Art. 9 Abs. 2 CISG Rechnung tragen. Im Grundsatz muß dagegen auch nach dem U.N.-Kaufübereinkommen von einem über Art. 9 Abs. 2 CISG hinausgehenden Begriffs Verständnis ausgegangen werden. Dementsprechend dürften die Begriffe Gebräuche und Gepflogenheiten in demselben Sinne zu verstehen sein wie unter den Haager Einheitlichen Kaufgesetzen. (863)

Ausgangspunkt für die Bestimmung eines Gebrauchs ist demnach, ob der Handel bestimmte Regeln, die Vertragsabschluß oder Vertragsabwicklung betreffen, für einen gewissen Zeitraum durch tatsächliche Übung anerkennt. (864) Fraglich ist, ob unter dieser Definition auch Trade Terms fallen können. Eine dem Art. 9 Abs. 3 EKG, Art. 13 Abs. 2 EAG entsprechende Vorschrift enthält die CISG nicht. Man hatte von ihrer Aufnahme abgesehen, um zu vermeiden, daß einem Vertragspartner eine Auslegung dieser Trade Terms aufgedrängt werden könnte, mit der er nicht rechnen könnte. (865) Versuche, diese von der Working Group gefaßte Entscheidung rückgängig zu machen, (866) scheiterten. Ungeachtet der früher einmal geäußerten Auffassung, die Regelung über Gebräuche und Gepflogenheiten erfasse auch Trade Terms, (867) sprach sich die Mehrheit auf der Diplomatischen Konferenz in Wien dafür aus, den Regelungsbereich des Art. 9 CISG nicht auf die Trade Terms anzuwenden. (868) Diese Entstehungsgeschichte bestätigt also eine allein am Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 orientierte Auslegung, derzufolge Trade Terms nicht unter den Begriff der „Gebräuche“ fallen. (869) Ungeachtet der allgemeinen Diskussion um den Geltungsgrund der Trade Terms (870) dürften diese daher im Rahmen der CISG nur

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dann zu beachten sein, wenn sie individuell vereinbart worden sind (Art. 6 CISG).

Auch die Definition des Begriffs „Gepflogenheiten“ dürfte keine Änderung erfahren haben. Wie sich aus Art. 9 Abs. 1 CISG ergibt, binden Gepflogenheiten nur dann die Parteien, wenn sie zwischen diesen entstanden sind. Auch Art. 9 Abs. 1 CISG geht also davon aus, daß Gepflogenheiten individuelle Verhaltensweisen der Parteien darstellen, die aufgrund dieser Verhaltensweisen bestimmte Erwartungen an die Abwicklung des Vertrages stellen. (871)

b) Geltungsvoraussetzungen

aa) Individuelle Gepflogenheiten und vereinbarte Gebräuche

Wie bereits erwähnt, binden Gepflogenheiten nach Art. 9 Abs. 1 CISG die Parteien nur, wenn sie zwischen diesen entstanden sind. Die Vertragsparteien sollen also nicht an tatsächliche Handelspraktiken gebunden sein, wenn sie selbst hiervon nicht berührt sind. Im Hinblick darauf, daß die Vertragsparteien selbst zu der Entstehung der Gepflogenheiten beitragen, ist eine zusätzliche Vereinbarung dieser Gepflogenheiten zum Zwecke ihrer Einbeziehung in den Kaufvertrag nicht mehr erforderlich. Die eine allgemeine Geschäftsgrundlage bildenden Gepflogenheiten werden durch Art. 9 Abs. 1 CISG zum Vertragsinhalt erhoben.

Da anders als bei den Gepflogenheiten die Parteien an der Entstehung von Handelsbräuchen nicht notwendigerweise mitwirken, verlangt Art. 9 Abs. 1 CISG für deren Einbeziehung in den Vertrag eine dahingehende Vereinbarung der Vertragsparteien. Abweichend von dem in vielen Rechtsordnungen und auch von den Haager Einheitlichen Kaufgesetzen in Art. 9 Abs. 2 EKG vertretenen Konzept der normativen Geltung der Gebräuche bekennt sich die CISG zu dem Grundsatz, daß die Gebräuche nur als integrierter Teil der vertraglich vereinbarten Regelung Bestand haben. Ihr Vorliegen ist mithin auch von den Parteien zu beweisen. Der Grundsatz „iura novit curia“ gilt hier nicht. (872) Da mithin die Parteien selbst über ihre Bindung an Gebräuche disponieren können, kommt es im Rahmen des Art. 9 Abs. 1 CISG nicht auf den räumlichen Geltungsbereich dieses Gebrauchs an. Haben also die Vertragsparteien die Geltung eines lokalen Gebrauchs vereinbart oder eines Gebrauchs, der sich in einer fremden Branche für einen anderen Vertragstyp entwickelt hat, so ist dieser nach Art. 9 Abs. 1 CISG zu berücksichtigen. (873)

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Fraglich ist, wie die Vereinbarung der Gebräuche zum Ausdruck kommen muß. Teilweise wird die Auffassung vertreten, Art. 9 Abs. 1 CISG meine die ausdrückliche Vereinbarung. (874) Die Vertreter dieser Auffassung stützen sich auf Art. 9 Abs. 2 CISG, der ausdrücklich die stillschweigende Bezugnahme auf Gebräuche erwähnt. Art. 9 Abs. 2 CISG liegt allerdings ein völlig anderes Konzept als Abs. 1 zugrunde: Während nämlich Art. 9 Abs. 1 CISG auf den tatsächlichen Willen der Vertragsparteien abstellt, geht Art. 9 Abs. 2 CISG von dem vermuteten Willen der Vertragsparteien aus. Wie die Entstehungsgeschichte zeigt, sollte der Inhalt des Art. 9 Abs. 1 EKG, der dem Art. 9 Abs. 1 CISG zugrundeliegt, unangetastet bleiben. Bereits zu Beginn der Ausarbeitung der CISG war man sich darüber einig, daß die in dem Haager Einheitlichen Kaufgesetz vorgesehene Bestimmung insoweit unangetastet bleiben könne. (875) Daran änderte sich auch nichts bei der Umformulierung des Art. 9 des Entwurfs der Working Group. (876) Die Änderung war lediglich redaktioneller Art: Sie sollte Absatz 1 mit Absatz 2 in Einklang bringen. Lediglich die zuletzt genannte Bestimmung bedurfte demgegenüber einer inhaltlichen Überarbeitung. Dabei sollte der Diskussion darüber Rechnung getragen werden, welche Maßstäbe angewandt werden sollen, um eine Bindungswirkung von Gebräuchen auch dann zu bejahen, wenn diese nicht tatsächlich vereinbart worden sind. (877)

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Bei der Neuformulierung des Art. 9 wurde daher zunächst vollständig von der Erwähnung der Worte „stillschweigend“ oder „ausdrücklich“ abgesehen. (878) Die Wiedereinführung des Wortes „stillschweigend“ in Absatz 2 (879) hat an dem materiellen Gehalt der Vorschrift nichts geändert. Geht man also davon aus, daß Art. 9 Abs. 1 CISG vollständig den tatsächlichen Willen der Vertragsparteien erfassen will, so muß auch, wie in Art. 6 CISG, der stillschweigend zum Ausdruck gekommene Parteiwille anerkannt werden. Auf Art. 9 Abs. 2 CISG kommt es also bei Vorliegen des tatsächlichen — ausdrücklich oder stillschweigend geäußerten — Parteiwillens nicht an. (880)

bb) Nicht vereinbarte Gebräuche

Fehlt es an einer tatsächlichen Vereinbarung von Gebräuchen, so greift Art. 9 Abs. 2 CISG ein: Die Gebräuche entfalten in diesem Falle Bindungswirkung, wenn die Parteien sie kannten oder kennen mußten und diese Gebräuche im internationalen Handel den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig weithin bekannt sind und von ihnen regelmäßig beachtet werden.

Ebenso wie Art. 9 Abs. 1 CISG liegt auch Abs. 2 das Konzept der vertraglichen Geltung von Gebräuchen zugrunde. (881) Allerdings wird die rechtliche Verbindlichkeit, wie bereits ausgeführt, unter den in Absatz 2 genannten Voraussetzungen fingiert. Wie sich aus der Wendung „haben die Parteien nichts anderes vereinbart“ ergibt, (882) können die Vertragsparteien aber sowohl ausdrücklich als auch stillschweigend die Geltung der nach Abs. 2 grundsätzlich zu beachtenden Gebräuche abbedingen. (883) Dies dürfte auch in der Weise möglich

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sein, daß die Parteien Vereinbarungen treffen, die mit bestimmten Gebräuchen nicht in Einklang stehen. (884)

Grundvoraussetzung für die Anwendung der Gebräuche nach Absatz 2 ist, daß es sich um solche Gebräuche handelt, die die Parteien entweder tatsächlich kannten oder zumindest hätten kennen müssen. Anders als Art. 9 Abs. 2 EKG bejaht also das U.N.-Kaufübereinkommen eine Bindungswirkung nicht vereinbarter Gebräuche erst dann, wenn die Vertragsparteien die Möglichkeit hatten, von den Gebräuchen Kenntnis zu nehmen. Es sollte damit das unbillige Ergebnis vermieden werden, daß die Parteien auch an völlig unbekannte Regelungen gebunden würden.

Das weitere Erfordernis, daß es sich um Gebräuche handeln muß, die innerhalb des Geschäftszweiges, dem die Parteien angehören, und für Verträge von der Art des getätigten Geschäftes üblich sind, entspricht im Ergebnis der in den Haager Einheitlichen Kaufgesetzen vorgesehenen Regelung hinsichtlich des persönlichen und sachlichen Geltungsbereichs der „normativen“ Gebräuche (885). (886) Die Voraussetzung, derzufolge die nach Art. 9 Abs. 2 CISG in den Vertrag einzubeziehenden Gebräuche einen internationalen Bekanntheitsgrad erreicht haben müssen, enthält dagegen eine Verschärfung gegenüber den Haager Einheitlichen Kaufgesetzen und zeigt das verstärkte Bemühen um eine interessengerechte Regelung. Bei der Einführung dieses Erfordernisses wurde vor allem der Furcht der Entwicklungsländer Rechnung getragen, Parteien, die diesen Ländern entstammten, könnten durch Gebräuche gebunden werden, die allein in Industriestaaten bestünden und demzufolge in anderen Ländern nicht bekannt seien. (887) Tatsächlich sind die meisten der gegenwärtig im internationalen Handelsverkehr bestehenden Gebräuche regionalen Ursprungs, d.h. sie haben sich an den großen Warenbörsen und anderen Handelsmärkten Europas und Nordamerikas entwickelt. (888) Ausgehend von diesen Überlegungen wird man gleichwohl nicht einen universellen Bekanntheitgrad der nach Art. 9 Abs. 2 CISG maßgeblichen Gebräuche verlangen* dürfen. Als maßgebliches Abgrenzungskriterium dürfte erforderlich, aber auch ausreichend sein, daß in den durch den internationalen Kaufvertrag berührten Staaten der in Frage stehende Gebrauch bekannt ist. Sind also ausschließlich Parteien aus europäischen Ländern betroffen, so wird die Beachtlichkeit eines in dieser Region geltenden Gebrauchs ausreichend sein. (889) Umgekehrt werden rein nationale Gebräuche,

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wie beispielsweise die unter deutschen Kaufleuten geltende Regel, daß Schweigen auf seiten des Empfängers eines Bestätigungsschreibens als Billigung dessen Inhalts zu verstehen ist, regelmäßig außer Betracht bleiben, es sei denn, in den entsprechenden Verkehrskreisen, denen der ausländische Vertragspartner angehört, ist eine solche Regelung bekannt. (890)

Fraglich ist, welche Bedeutung die Voraussetzung „regelmäßige Beachtung“ hat. Wie oben ausgeführt, (891) ist dieses Kriterium konstitutives Element für die Annahme eines Gebrauchs. Ob Art. 9 Abs. 2 CISG eine darüber hinausgehende zeitlich längere Beachtung der Gebräuche erfordert, erscheint zweifelhaft. Im Hinblick darauf, daß Art. 9 Abs. 2 CISG — zumindest teilweise — als Definition des Gebrauches verstanden wurde, dürfte der Einführung des Erfordernisses „regelmäßige Beachtung“ keine eigenständige Bedeutung mehr zukommen; sie hat vielmehr rein deklaratorischen Charakter.

c) Gültigkeitsgrenzen

Die Frage, ob die in Betracht kommenden Gebräuche als Vertragsinhalt anzusehen sind, ist mit Vorbehalt darauf zu beantworten, ob diese Gebräuche Gültigkeit haben. Nach Art. 4 Buchst. a) CISG liegt diese Frage außerhalb des Regelungsbereichs des Übereinkommens. Das nach dem IPR der lex fori zu bestimmende anwendbare Recht entscheidet also über die Gültigkeit der maßgeblichen Gebräuche. Auch in diesem Zusammenhang ist aber zu berücksichtigen, daß Formvorschriften grundsätzlich nicht zu den der einzelstaatlichen Regelung vorbehaltenen Gültigkeitsvorschriften zählen. Zwingende interne Formvorschriften können also auch nicht zu einer Ungültigkeit der Gebräuche führen, es sei denn, der Kaufvertrag ist mit einem Partner geschlossen, der seine Niederlassung in einem Staat hat, der nach Art. 96 CISG einen Vorbehalt erklärt hat.

Soweit nationale Gültigkeitsvorschriften dem in Frage stehenden Gebrauch die Geltung versagen, weil dieser unangemessen ist, ist diese Wertung auch im Rahmen der CISG zu berücksichtigen. Der Vorschlag, im Übereinkommen selbst zusätzlich das Erfordernis aufzunehmen, daß der zu beachtende Gebrauch vernünftig (reasonable) sein müsse, (892) konnte sich nicht durchsetzen. Zu Recht wurde darauf hingewiesen, daß insoweit die Gültigkeitsvorschrift des Art. 4 CISG ausreiche. (893) Zu bedenken ist allerdings, daß im Hinblick auf den

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Regelungsausschluß von Gültigkeitsfragen in Art. 4 CISG vor allem die Bewertung internationaler Gebräuche im Sinne des Art. 9 Abs. 2 CISG verschiedenen Beurteilungsmaßstäben unterworfen sein kann. Dies muß jedoch im Hinblick auf den klaren Wortlaut des Übereinkommens hingenommen werden. Eine zusätzliche Gültigkeitskontrolle über Art. 7 Abs. 1 CISG unter Heranziehung des dort genannten Erfordernisses der „Wahrung des guten Glaubens im internationalen Handel“ zu begründen, ist abzulehnen. (894)

d) Vorrangstellung

Abweichend von Art. 9 Abs. 2 Satz 2 EKG enthält die CISG keine Vorschrift über die Rangstellung von Gebräuchen und Gepflogenheiten. Der auf der Diplomatischen Konferenz 1980 unterbreitete Vorschlag der tschechoslowakischen Delegation, eine derartige Rangklausel auch in das U.N.-Kaufübereinkommen aufzunehmen, (895) fand keine Zustimmung. Wie schon bei den vorangegangenen Beratungen im Rahmen von UNCITRAL (896) war man sich darüber einig, daß es einer solchen Regelung nicht bedürfe. Da der Geltungsgrund bei den nach Art. 9 CISG zu beachtenden Gebräuchen ausschließlich auf dem — unter Umständen fingierten — Parteiwillen beruhe, ergebe sich die Rangfolge bereits aus der Regelung der Privatautonomie (Art. 6 CISG). (897) Auch wenn dieser Grundsatz nicht unmittelbar auf die Gepflogenheiten übertragen werden kann, dürften diese nicht abweichend zu behandeln sein, zumal der Verzicht auf eine Vereinbarung darauf begründet ist, daß die Parteien selbst die Gepflogenheiten schaffen. Die nach dem U.N.-Kaufübereinkommen zu beachtenden Gebräuche und Gepflogenheiten gehen also in jedem Falle den eventuell entgegenstehenden Bestimmungen des Übereinkommens vor. (898)

Ende

Fussnoten



(860) Zweifelnd Barbic, in: Hague-Zagreb-Essays 4 (1983), S. 13.

(861) Art. 6 der Draft Convention on the formation of contracts for the International Sale of Goods as approved by the Working Group, U.N. Doc. A/CN.9/142, annex, UNCITRAL Yb. IX (1978), S. 84 lautet: „For the purposes of this Convention, usage means any practice or method of dealing of which the parties knew or ought to have known and which in international trade is widely known to and regularly observed by parties to contracts of the type involved in the particular trade concerned“.

(862) Vgl. Summary of deliberations, U.N. Doc. A/33/17, annex I, UNCITRAL Yb IX (1978), S. 36.

(863) Vgl. oben § 6 IV 2 a).

(864) Vgl. Schlechtriem, UN-Kaufrecht, S. 27. Zu dem entsprechenden Begriffsverständnis nach § 1 — 205 (2) UCC vgl. Farnsworth, FS Sauveplanne (1984), S. 83 f. Kritisch zu dem Erfordernis der Zeitdauer Berman/Kaufman, die auf den schnellen Wandel internationaler Übungen infolge technischer Neuerungen hinweisen. Vgl. Harv. Int’l L. J. 19 (1978), S. 271.

(865) Vgl. Working Group, Report on sixth session, U.N. Doc. A/CN.9/100, Anm. 38, UNCITRAL Yb. VI (1975), S. 52. („It was often difficult to find any meaning which was widely accepted and regularly given to various expressions, provisions and forms of contract which are used in international trade.“)

(866) Vgl. dje Vorschläge Ägyptens (U.N. Doc. A/CONF.97/C.1/L.4, Off. Rec., S. 89) und Schwedens (U.N. Doc. A/CONF.97/C.1/L.19, Off. Rec., S. 89 und U.N. Doc. A/CONF. 97/L.8, Off. Rec., S. 171) sowie die anschließenden Debatten des First Committee, U.N. Doc. A/CONF.97/C.1/SR.7, Anm. 34ff, Off. Rec., S. 257, sowie des Plenums, U.N. Doc. A/CONF.97/SR.6, Anm. 46 ff, Off. Rec., S. 202.

(867) Vgl. Report relating to the Draft Convention , U.N. Doc. A/32/17, annex I, Anm. 85, UNCITRAL Yb. VIII (1977), S. 31.

(868) Siehe oben Fn. 866.

(869) Ebenso Honnold, S. 145 f., Rdnr. 115. A. A.: Bonell, J.Bl. 1985, S. 387; von Hoffmann, in: Dubrovnik Lectures, S. 280.

(870) Hierzu Basedow, RabelsZ 43 (1979), S. 125 m.w.N.

(871) Vgl. Bonell, J.Bl. 1985, 8. 386f.; Note, Harv. Int’l L. J. 97 (1984), 8.1989 Fn. 33, sowie die unter Fn. 547, 548 genannten Nachweise. Zu dem entsprechenden Begriffsverständnis nach § 1-205 (1) UCC vgl. Farnsworth, FS Sauveplanne (1984), 8. 83.

(872) Vgl. Goldstajn, in: Dubrovnik Lectures, 8.98. Auf die möglichen praktischen Schwierigkeiten einer Beweisführung weisen hin Berman/Kaufman, Harv. Int’l L.J. 19 (1978), S. 275 f.

(873) So auch Barbic, in: Hague-Zagreb-Essays 4 (1983), S. 10; Bonell, J.Bl. 1985, S. 387; Reczei, in: Problems of Unification, S. 84; Wey, S. 68, Rdnr. 195.

(874) Vgl. Dore/Defranco, Harv. Int’l L.J. 23 (1982), S. 59 Fn. 53; Eörsi, in: Galston/Smit, International Sales (1984), S. 2-23; Reczei, in: Problems of Unification, S.84; ebenso wohl Barbic, in: Hague-Zagreb-Essays 4 (1983), S. 10; Kommentar zum Genfer Entwurf, U.N. Doc. A/CN.9/116, annex II, S. 101, Anm. 3 zu Art. 8, UNCITRAL Yb. VII (1976,S. 101, und Kommentar zum New Yorker Entwurf, U.N. Doc. A/CONF.97/5, Anm. 4 zu Art. 8, Off. Rec., S. 19, die jeweils davon ausgehen, daß bei einer stillschweigenden Vereinbarung die Voraussetzungen des Art. 8 AbS. 2, der dem jetzigen Art. 9 AbS. 2 entspricht, zu beachten sind.

(875) Vgl. die Entscheidung der Working Group auf ihrer 2. Sitzung, Art. 9 EKG wie folgt neu zu fassen:
„(1) The parties shall be bound by any usage which they have expressly or impliedly made applicable to their contract and by any practices which they have established between themselves.
(2) The usages which the parties shall be considered as having impliedly made applicable to their contract shall include any usage of which the parties are aware and which in international trade is widely known to, and regularly observed by parties to contracts of the type involved, or any usage of which the parties should be aware because it is widely known in international trade and which is regularly observed by parties to contracts of the type involved.
(3) ...
(4) ...»
Vgl. Working Group, Report on second session, U.N. Doc. A/CN.9/52, Anm. 73, UNCITRAL Yb. II (1971), S. 57, sowie die Erläuterungen hierzu, ebd., Anm. 7b, b. 58.

(876) Vgl. Working Group, Report of sixth session, U.N. Doc A/CN.9/100 Anm. 34, UNCITRAL Yb. VI (1975), S. 52: „The Working Group agreed that the parties should be bound by any usage to which they have expressly or impliedly agree and by any pracyices which they have established between themselves as provided in paragrap 1".

(877) Vgl. Working Group, Report of sixth session, a.a.O., (Fn. 876), Anm. 39, S. 52, sowie die Zusammenfassung der Diskussion der Working Group auf ihrer sechsten Sitzung, ebd., Anm. 35, S. 52.

(878) Der Vorschlag der von der Working Group eingesetzten Drafting Party III lautete: „(1) The parties shall be bound by any usage to which they have agreed and by any practices which they have established between themselves.
(2) The contract shall be considered, unless otherwise agreed, to include a usage of which the parties knew or had reason to know and which in international trade is widely known to, and regularly observed by, parties to contracts of the type involved in the particular trade concerned.“
Vgl. Working Group, Report of sixth session, a.a.O. (Fn. 876), Anm. 40, 8. 53.

(879) Vgl. die Entscheidung der Working Group auf ihrer sechsten Sitzung, Working Group, Report of sixth session, a.a.O. (Fn. 876), Anm. 42, S. 53.

(880) So auch Bonell, 3.81.1985, S. 388; Cumming, Cal. W. Int’l L. J. 9 (1979), S. 173; Huber, RabelsZ 43 (1979), S. 427; Finke, S. 95; Schlechtriem, UN-Kaufrecht, S. 27; Sutton, Austr. BuS. L. Rev. 4 (1976), S. 283 Fn. 42; Wey, S. 72, Rdnr. 206ff.

(881) Zur Beweisführung siehe oben Text zu Fn. 872.

(882) Vgl. auch Bonell, J.B1.1985, S. 389f.

(883) So auch Boggiano, R.D.C.O. 13 (1980), S. 358; ders., in: U.N. Doc. A/CONF.97/C.1/SR.6, Anm. 77, Off. Rec., S. 264. Einschränkend Fadlallah, Clunet 106 (1979), S. 726, der nur eine ausdrückliche Abbedingung für möglich hält.

(884) Vgl. auch Goldstajn, der Gebräuche mit dem dispositiven Gesetzesrecht gleichsetzt, in: Dubrovnik Lectures, S. 97. Zweifelnd Dore/Defranco, Harv. Int 1 L.J. 23 (1982), S. 59.

(885) Vgl. hierzu Mertens/Rehbinder, Art. 9 EKG, Anm. 7; Dölle/Junge, Art. 9 EKG, Rdnr. 11.

(886) So ausdrücklich Bonell, J. Bl. 1985, S. 390.

(887) Vgl. Date-Bah, in: Problems of Unification, S. 46; Herber, RIW/AWD 1980, S. 603; Reczei, in: Problems of Unification, S. 83.

(888) Vgl. Bonell, J. Bl. 1985, S. 389.

(889) So auch Barbic, in: Hague-Zagreb-Essays 4 (1983), S. 11; Dore/Defranco, Harv. Int’l LJ. 23 (1982), S. 58; Goldstain, in: Dubrovnik Lectures, S. 985, Kommentar zum New Yorker Entwurf, U.N. Doc. A/CONF.97/5, Anm. 3 zu Art. 8, Off. Rec., S. 19; Bainbridge (Note), Va. J. Int’l L. 24 (1984), 8. 658.

(890) Vgl. Bonell, J.Bl. 1985, S. 390; Schlechtriem, UN-Kaufrecht, S. 29.

(891) Siehe oben § 7 V 2 a).

(892) Vgl. den Vorschlag der chinesischen Delegation, U.N. Doc. A/CONF.97/C.1/L.24, Off. Rec., S. 89.

(893) Vgl. vor allem die Einwände von Herber (Bundesrepublik Deutschland), in: A/CONF.97/C.1/SR.6, Anm. 61, Off. Rec., S. 263, und Boggiano (Argentinien), ebd., Anm. 62.

(894) A.A.: Bonell, J.Bl. 1985, S. 394.

(895) Vgl. U.N. Doc. A/CONF.97/C.1/SR.6, Anm.73, Off. Rec., S. 263.

(896) Vgl. Working Group, Report of its sixth session, U.N. Doc. A/CN.9/100, Anm. 41, UNCITRAL Yb. VI (1975), S. 53.

(897) Working Group, Report of its sixth session, a.a.O. (Fn. 896).

(898) So auch Bonell, J.Bl, 1985, S. 393; Chebil, S. 107; Fadlallah,_Clunet 106 (1979), S.762; Goldstajn, in: Dubrovnik Lectures, S. 97; Herrmann, IPRax 1981, S 112, Schlechtriem, UN-Kaufrecht, S. 28. A. A.: Barbic, in: Hague-Zagreb-Essays 4 (1983), S. 13, der hierüber das aufgrund des IPR der lex fori berufene Recht entscheiden lassen will.

Ende

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